Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
unsere Aufträge“, fügte Sebastian lächelnd hinzu.
Hoffmann wiegte den Kopf. „Das wird von Fall zu Fall verschieden sein bei Ihren Aufträgen. Ob Sie leichtsinnig werden, das liegt bei Ihnen.“
„Wir setzen immerhin unsere Sicherheit aufs Spiel und das ist nicht vernünftig“, erklärte Sebastian. „Wir tun es aber für einen übergeordneten Zweck und dann ist es wieder vernünftig?“
„Ja“, sagte Hoffmann und nickte. „Aber das ist kein Freifahrtschein für Blödsinn.“
„Natürlich nicht“, stimmte Sebastian grinsend zu, „aber was im Einzelfall vernünftig ist …“
„Müssen Sie selbst entscheiden“, warf Hoffmann ein.
„Ja eben“, sagte Sebastian und der angeschlagene Zustand seines Gewissens besserte sich mit dieser Bestätigung. Blödsinn ist Blödsinn, überlegte er, aber die Geschichte mit dem Polier in Dessau, das war doch ein übergeordneter Zweck. Vernünftig oder nicht, das entscheidet der Moment. Jede Minute eher oder später bei einer Entscheidung kann ganz unterschiedliche Folgen haben.
Sebastian wurde bei diesen Gedanken, die sich im Kreise zu drehen begannen, langsam wirr im Kopf. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, durchs Haar und hörte gerade noch, wie Hoffmann den Termin eines neuen Treffens vorschlug und Hans-Peter dabei erfreut zustimmend auf seine Schulferien verwies.
Sebastian bestand jedoch, wie fast immer bei solchen Treffen, auf einem Wochenende. Er habe als „werktätige Bevölkerung“ schließlich keine Ferien, erklärte er, lediglich ein paar Tage Urlaub, die aber mit anderen abgestimmt werden müßten. Er müsse ja auch so schon oft genug krank machen und auf den selbst geschriebenen Entschuldigungszetteln die Unterschrift seiner Mutter fälschen.
„Ja klar, dann eben am Wochenende“, stimmte Hoffmann zu.
So verblieb man und die beiden Freunde besuchten dann doch noch eines dieser provisorischen Kinos in den Ruinen am westlichen Rande des Potsdamer Platzes.
Jeder konnte dort, wenn er ein Billett gelöst hatte, jederzeit den Kinosaal betreten. Der Film lief, wenn er zu Ende war immer wieder von neuem an, so daß man in aller Regel den zweiten Teil zuerst sah und den Anfang dann danach, bis zu der Stelle, die man bereits kannte. Beim ersten Mal hatten sie so ein Kino doch einigermaßen skeptisch betrachtet. Das Ende eines Films zuerst und danach den Anfang zu sehen, das hielten beide zunächst für ziemlich blöd und waren dann doch überrascht, wie schnell sie sich daran gewöhnten. Mit etwas Glück erwischte man ja manchmal auch den Anfang eines Films.
48.
Es war die Zeit der langen und warmen Sommertage. Die Sonne ging leuchtend auf und die Tage dehnten sich trocken und heiß unter einem immer blauen Himmel, in dem, wenn überhaupt, nur ganz wenige weiße Wolkenflöckchen standen. Und die Luft flimmerte über den weiten Reparationskahlschlägen und täuschte in der Ferne Wasserflächen vor. Das Aufforsten wurde schließlich völlig eingestellt. Sinnlos wäre es gewesen Kiefernschößlinge in den staubtrockenen Sandboden zu bringen.
Da man die Lehrlinge nun aber schon beisammen hatte, schickte man sie stattdessen wieder einmal in die Bruthitze eines völlig zugewachsenen vier bis fünf Meter hohen Stangengehölzes zur Auszeichnung der Bäumchen, die die Leute sich dann zwecks Auslichtung herausschlagen durften. Die Freude darüber hielt sich verständlicherweise bei den Lehrlingen in Grenzen, als Onkel Jaschek ihnen das mitteilte und sie sich mit ihren Fahrrädern auf den Weg machten. Wie immer eine Qual, das Eindringen in das Dickicht solcher Schonungen.
Als völlig unzureichend erwies sich in dieser Lage das bißchen Pfefferminztee oder Malzkaffee in den Thermos- und Feldflaschen der bedauernswerten Akteure. Zerkratzt und verstaubt machten die jungen Leute sich mit ausgedörrten Kehlen in der Sonnenglut des Spätnachmittags endlich auf den Heimweg.
Sebastian hatte seine Mütze zum Trocknen über die nie funktionierende Fahrradlampe gehängt. Seine Haare wirkten, als hätte er sie aus dem Wasser gezogen und das Hemd klebte ihm naß am Körper. Er würde zu Hause ausgiebig duschen, darauf freute er sich, als er über die heiße Asphaltchaussee fuhr, deren Schadstellen mit Braunkohleteer ausgebessert worden waren. Er mußte sich hüten darüber zu fahren, erwiesen sich diese Stellen doch als klebrige Teerpfützen. Da die DDR über so gut wie keine Steinkohlevorkommen verfügte, gab es auch keine Möglichkeit Asphaltstraßen nachhaltig
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