Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
Hans-Peter pustete vorsichtig in das heiße Getränk. „Die ganze Junkersgeschichte“, sagte er und sah Hoffmann an, „die haben wir hier zusammengefaßt. Und er schob ihm das handgeschriebene Blatt über den Tisch.“
„Die Einzelheiten“, erklärte nun auch Sebastian, „sind aufgeführt, soweit wir sie erfahren konnten. Alles wird dort um- oder neu gebaut und die Volksarmee zieht ein, das ist klar. Ich hab’ noch mit einem Polier sprechen können, der dort beschäftigt ist. Daher die genauen Daten am Schluß“, und er wies auf die Rückseite des Blattes.
Von der Geschichte mit dem Segeln unter anderer Flagge sagte er lieber nichts, war ihm doch klar, wie auch Hoffmann darüber denken würde.
„Was Sie damals von diesem Flugplatz … wie hieß der Ort doch gleich? Welzow? Also, was Sie da aus Welzow gemeldet hatten“, sagte Hoffmann, „zeigt sich jetzt an verschiedenen Objekten. Und der nächste Auftrag, das nur vorab, wird Sie wahrscheinlich an die Ostsee führen. Wir wollen wissen, wohin die Russen aus ihren bisherigen Standorten verlegt werden, ihre Truppenstärke in Ostdeutschland nimmt, wie ich schon sagte, besorgniserregend zu. Immer neue Waffen- und Mannschaftstransporte treffen aus Rußland ein.“
„Hm – und wie reagiert der Westen, der Ami, darauf? Auch mit mehr Soldaten und Waffen?“
Hoffmann nickte. „Ja sicher.“
„So lange nicht echt geschossen wird, ist das doch der Kalte Krieg, oder?“ Hans-Peter sah dazu erst Hoffmann und dann seinen Freund an.
Hoffmann lächelte. „So einfach liegen die Dinge nicht“, erklärte er. „Kalter Krieg“, und er schüttelte den Kopf, „das ist eine begriffliche Einebnung gravierender Unterschiede, das wissen Sie ja selbst. Man sagt das zwar so leichthin, aber hier steht eine freiheitliche demokratische Rechtsordnung einer fanatischen Diktatur gegenüber.“
„Klassenlose Gesellschaft“, sagte Hans-Peter und grinste nun seinerseits. „So sagen die das zumindest“, fügte er hinzu.
„Hör bloß mit diesen Phrasen aus deinem Gegenwartskundeunterricht auf“, mischte Sebastian sich ein, „das will hier doch niemand wissen, wie die sich einschätzen, ob nun Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten oder wie auch immer. Wir sehen ja jeden Tag, was das wirklich bedeutet. Da sind wir beide uns doch einig.“
„Na klar“, bestätigte Hans-Peter. „Denk aber lieber mal darüber nach“, fuhr er fort, „ob wir später noch ins Kino gehen. Zeit hätten wir – vielleicht am Potsdamer Platz? Da nehmen sie Ostgeld eins zu eins auf DDR-Ausweis“, wandte er sich erklärend an Hoffmann.
„Könnte man ja mal sehen … vielleicht ‘n amerikanischer Revuefilm“, meinte Sebastian.
„Revuefilm“, winkte Hans-Peter ab, „‘n spannender Krimi ist mir lieber.“
Sebastian schüttelte den Kopf. „Das erleben wir doch selber mehr als uns lieb ist. Warum willst du deswegen ins Kino?“
„Warum“, wiederholte Hans-Peter verwundert, „sind wir denn Kriminelle?“
„Amtsanmaßung“, sagte Sebastian, „Urkundenfälschung …“, zählte er auf.
„Wieso Amtsanmaßung?“ unterbrach Hans-Peter.
„Stasi-Kontrolleure waren wir ja nicht wirklich.“
„Was sind denn das wieder für Mutproben?“ ließ Hoffmann sich vernehmen.
Sebastian lachte. „Ach, nichts“, sagte er, „nur’n Blödsinn …“
„Blödsinn?“ Hoffmann hob dazu die linke Augenbraue wie manches Mal, wenn er unwillig dreinblickte und dann auch oft mit einem Pi-Pa-Po abtat, was ihm nicht paßte. „Werden Sie nicht leichtsinnig“, sagte er, „das ist wirklich kein Spiel. Ich kann Sie bloß immer wieder warnen: verkneifen Sie sich verwegene Spielereien. Aber ich weiß ja“, setzte er hinzu, „junge Leute sticht halt manchmal der Hafer. Doch denken Sie daran, jede unvernünftige Entscheidung, jeder Blödsinn kann Sie viele Jahre Ihres Lebens kosten. Da gibt’s dann nichts mehr zu korrigieren. Und auch uns hier im Westen kann daraus großer Schaden erwachsen.“
„Ja selbstverständlich, das wissen wir“, erwiderte Sebastian einsichtig mit allerdings etwas schlechtem Gewissen, das er sich jedoch nicht anmerken ließ. Wo aber war hier Leichtsinn und wo war so manches auch notwendig? Selbstverständlich ist nichts, sagte er sich und nichts weiß man genau. Pi-Pa-Po würde wahrscheinlich von Erfahrung reden. Unauffällig sollte man schon sein, sich also beispielsweise nicht von oben bis unten mit Westklamotten behängen. „Leichtsinn? Ich denke da zum Beispiel auch an
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