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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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daß du jetzt hier sitzt und ihn dort siehst … Ist wirklich schon sehr verrückt, das Ganze.“
    „Ja, eigenartig“, bestätigte Sebastian.
    So war denn auch das zähe Schweigen des Freundes gebrochen und man kam wieder ins Gespräch.
    „Machen Sie erstmal die Schule zu Ende“, äffte der Hoffmann nach. „Ich finde, das muß der schon mir überlassen. Hast du gesehen, wie erschrocken der war, als er meinen Koffer unterm Tisch bemerkt hat? Die wollen uns nämlich gar nicht im Westen. Wir brauchen die Leute drüben und nicht hier“, imitierte er Hoffmann erneut. „Haben Sie denn Verwandte im Westen? Das heißt doch“, erklärte er, „die würden sich dann drüben um uns gar nicht mehr kümmern.“
    „Das ist doch normal“, meinte Sebastian, „die brauchen uns natürlich nur hier im Osten. Das heißt ja nicht, daß du für immer hier bleiben mußt. Und kümmern? Ich denke, das könnten wir selber besser, im Gegenteil, ich bin eher froh, wenn der Staat sich nicht dauernd um uns kümmert. So’ne staatliche Betreuung können wir doch hier im Osten schon zur Genüge genießen. Nee, wir haben hier eine gute Möglichkeit denen eins überzubraten. Wir sollten das noch eine Weile nutzen, um dann irgendwann mal rüberzugehen.“
    „Ja und? Was soll ich denn da?“ fragte Hans-Peter.
    „Na, sag mal, du wolltest doch bleiben und vielleicht könntest du dann dort das Abi nachmachen, wenn du’s hier nicht willst.“
    „Das hier wird im Westen ja gar nicht anerkannt.“
    „Dann machst du’s eben drüben und würdest dazu bestimmt ein Stipendium kriegen.“
    „Das eben will ich doch gar nicht.“
    „Na, was denn dann?“
    „Ich denke, wir haben uns ganz gut bewährt …“
    „Du meinst doch nicht, du willst ‘ne Stelle in Pullach?“ fragte Sebastian lachend.
    Hans-Peter grinste ein wenig gequält. „Warum nicht“, sagte er, „vielleicht auch in Westberlin. Die Stasi weiß ja nichts von uns“, fügte er hinzu.
    „Und was willst du da machen in Pullach oder Westberlin?“
    „Was weiß ich. Irgendwas. Vielleicht auch so was wie Pi-Pa-Po.“
    „Aber entschuldige mal, das ist doch lächerlich. Du wirst erst achtzehn …“
    „Du bist ja auch kaum älter.“
    „Richtig, aber ich will ja nicht in Pullach arbeiten oder Pi-Pa-Po beerben.“
    „Ich will niemanden beerben.“
    „Ich meine ja bloß“, lenkte Sebastian ein, „Hoffmann ist bestimmt bald vierzig und immerhin Major im Krieg gewesen.“
    „Wir sind ja hier nicht im Krieg und Pi-Pa-Po hat keine Ahnung vom Osten.“
    „Und da meinst du, die brauchen jetzt dringend dich als Ostexperten?“
    Hans-Peter zuckte nur kurz die Schultern. „Na und? Warum nicht?“
    Sebastian winkte ab. „Das Ganze ist doch völliger Blödsinn. Was wir tun, das machen wir doch auch für uns. Würden wir offen gegen die Bande hier vorgehen, wären wir sehr bald auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Ob du nun schimpfst oder auch nur kritisierst, da heißt es dann gleich Verächtlichmachung, Staatsverleumdung, Boykotthetze… Du weißt wie die sind und erst recht jetzt nach dem 17. Juni.“
    „Ja, aber in den Zeitungen heißt es auch, westliche Agenten sollten sich freiwillig melden.“
    „Agenten? Sind wir denn so was? Aber klar, das hätten die natürlich gern.“
    „Na, wie auch immer“, warf Hans-Peter ein, „wenn Pi-Pa-Po uns nicht will …“
    „Warum soll der uns wollen?“
    „Ich denke, die Stasi würde uns mit Kußhand nehmen.“
    „Sicher, wenn du hingehst und sagst ich weiß was und erzählst denen alles. Aber was willst du danach, wenn du alles verraten hast? Das kennst du doch: Man liebt den Verrat, aber nicht den Verräter.“
    „Richtig. Die im Westen lieben aber auch nur unsere Berichte und nicht uns.“
    Sebastian wandte sich abrupt vom Abteilfenster ab, durch das er hinausgeblickt hatte und sah den Freund entgeistert an. „Hab’ ich richtig gehört? Sag das nochmal.“
    „Was denn?“
    „Na, den letzten Satz, daß die im Westen nur unsere Berichte lieben und nicht uns. Und das meinst du wirklich so?“
    „Wieso denn nicht?“
    „Du setzt hier West und Ost gleich und bezeichnest uns als Verräter, ist dir das klar? Ganz so, als ob das hier ein normaler Staat wäre.“
    „Nicht ich, die sagen das“, verteidigte Hans-Peter sich, „und ein Staat ist es doch …“
    „Staat“, sagte Sebastian, „was für’n Staat? Das Dritte Reich war auch ein Staat, sogar frei gewählt, im Gegensatz zum Spitzbart mit seinen Genossen. Du weißt doch

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