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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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ausgewaschenen Regenwasserfurchen hinunter bis an den schmalen Saum des Grubenteichs. Obwohl die Sonne schien, war es doch schon empfindlich kühl. Vor allem der leichte Wind, der aus Norden über die weite Wasserfläche strich, ging durch die Kleidung. Hans-Peter setzte sich in den Sand am Rande dieses urtümlichen Sees, dessen Wellen von der leichten Brise getrieben unter der bereits recht tief stehenden Nachmittagssonne glitzernd heranrollten und leise rauschend über den Strand ausliefen.
    Er sah das alles und sah es auch nicht. Ihn beschäftigten Gedanken an seine Zukunft, dabei nahm er mit der Hand mechanisch immer wieder den feinen feuchten Sand auf, ließ ihn nachdenklich durch die Finger rieseln und setzte sich schließlich hinter einen Sandhügel in den Windschatten.
    Bei der Stasi, überlegte er, hätten wir jetzt eine einmalige Chance. Dabei dachte er auch an seinen Freund Sebastian, der ihn einfach nicht ernst nehmen wollte. Was heißt schon die Fahne wechseln? In der Politik ist das gang und gäbe. Das mit Hoffmann und dem Westen, das wird sowieso nichts … Es ist schon möglich, daß der Osten eines Tages den Westen überrollt, wenn man nur die Masse der Rotarmisten in Deutschland bedenkt. Der Westen fürchtet einen Krieg, der Russe wäre, wenn sich die Gelegenheit ergäbe, sicher nicht so zimperlich. Aufs falsche Pferd gesetzt?
    Wir brauchen die Leute im Osten und nicht hier, bedachte er Hoffmanns Ausspruch. Das ist doch klar, die wollen uns dort gar nicht in ihrem Westen. Denen bloß den Rücken freizuhalten, dazu sind wir gut. Sebastian tut so, als ob schon das allein eine Chance wäre, also hier im Osten für die Sicherheit im Westen zu arbeiten und dabei Kopf und Kragen zu riskieren. Wir können euch nicht helfen, sagen die selbst. Aber Folterung müßt ihr, wenn möglich, drei Tage lang aushalten, damit wir die Lücke wieder schließen können. Sebastian will nur nicht wahr haben, daß wir eben nur Lückenbüßer sind. Dem macht’s auch nichts aus.
    Wir könnten uns aber stellen und zwar jetzt. Dann gäbe es keine Gefahr und keine Angst mehr. Er dachte an seinen Vater, der kannte schließlich den Kreisdienststellenleiter der Stasi in Senftenberg. Der Alte müßte dort mal auf den Busch klopfen, wie man das mit dem freiwilligen Stellen so drehen könnte. Immerhin kämen wir ja aus freien Stücken – aber sein Vater würde das denen schon zu verklickern wissen. Rede ich gleich mit Sebastian darüber oder besser zuerst mit dem Alten? Dazu hob er, der die ganze Zeit zu Boden gestarrt hatte, den Kopf und sah eine inzwischen rötliche Sonne vor einem rot gefärbten Wolkenrand dicht über dem Horizont stehen, ein Rot, das sich in den Kämmen der anrollenden Wellen des Sees vor ihm widerspiegelte. „He, verdammt“, sagte er laut, „es wird ja schon dunkel“, dazu legte er den Kopf in den Nacken und blickte steil nach oben in einen sich bereits verdunkelnden Abendhimmel.
    Dann erhob er sich, klappte den Jackenkragen hoch, kraxelte, zum größten Teil auf allen Vieren, den steilen, sandigen Abbruch nach oben und fand dort sein Rad im Brombeergesträuch wieder. Dieser Aufstieg hatte ihn rund eine Viertelstunde gekostet, eine Zeit, in der die Sonne hinter dem Wolkenrand verschwunden war, der jetzt dunkelviolett aussah. Hans-Peter fröstelte. Nach dem Verschwinden der Sonne war es empfindlich kalt geworden. Es ist schon erstaunlich dachte er, daß diese wässerige Sonne noch so viel Wärme hatte.
    Und bei sternklarem Himmel schlichen sich bereits ganz heimlich erste Nachtfröste ins Land.
    Hans-Peter überlegte noch eine ganze Woche lang hin und her, wie sein Plan sich der Stasi anzubieten am sichersten umzusetzen wäre. Er entschloß sich schließlich und endlich seinem Vater von der Sache zu erzählen und wenn sich dann ein Weg zeigen würde, auch Sebastian von seiner Absicht zu überzeugen …

    61.

    Es war der letzte Sonnabend im November, Hans-Peter fuhr mit der Schulmappe auf dem Gepäckträger von Altdöbern nach Hause. Das Wetter zeigte sich inzwischen durchgehend spätherbstlich. Der Himmel war grau und der Wind jagte dunkle Wolkenfetzen von Nordwesten her übers Land. Zum Glück hielt der dichte Wald rechts und links der Chaussee ihn weitgehend ab mit dem zusätzlichen Vorteil, daß dieser Wind mit den Wolken auch den möglichen Regen verjagte. Es war erst ganz kurz nach zwölf Uhr wie üblich an den Sonnabenden und auch sein Vater würde wohl gegen halb zwei Uhr zu Hause sein. Hans-Peter

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