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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Wahrheit.
    Sebaldt und Kunzmann präsentierst du denen zum Einstieg. Außerdem ist das ja auch deine Pflicht. Den alten Kunzmann, den Pfarrer, wird man wohl nicht gleich belangen. Mit der Kirche gibt’s zur Zeit sowieso schon genügend Zoff, da wird man sicher kürzer treten, auch weil man ja dann den Sohn schon hat. Aber erzählen mußt du denen vom Treffen des Pfarrers mit diesem Hoffmann in Westberlin. Der Arm der Staatssicherheit reicht weit“, sagte er mit hämischen Grinsen.
    „Wie denn das?“
    „Wart’s ab. Die Zeit kommt.“ Die Stimme des Vaters wurde dabei regelrecht geheimnisvoll. „So eine Falle muß sorgfältig gestellt werden.“
    Na klar, überlegte Hans-Peter, das machen die. Von Entführungen hatte er ja auch schon gehört und nicht bloß von der des Rechtsanwalts Linse… Doch jetzt stand er auf der anderen Seite und mußte mit den Wölfen heulen lernen. Ob das alles richtig war? Doch für Bedenken war es jetzt zu spät.
    Aber Sebastian? Schön wär’s, wenn er den doch noch überreden könnte. Er würde den Freund morgen, am Sonntag, noch mal aufsuchen. Davon brauchte ja niemand was zu erfahren. Aber was sollte er ihm sagen? Die Wahrheit auf keinen Fall, denn dort war ja alles bereits beschlossen. Mit seinem Alten allerdings war er weit besser klar gekommen, als er das befürchtet hatte. Ganz gut auch, daß der solche Beziehungen hatte. Wer weiß, wie die sonst mit ihm umspringen würden. Vor diesem Weg bangte ihm mächtig und der Besuch bei Sebastian war ihm mehr als nur peinlich.
    Er pfiff auch am Sonntag nicht wie sonst vor Sebastians Haus, sondern klingelte an der Wohnungstür. Sebastian hörte die Klingel am Reißbrett seines Vaters im Herrenzimmer. Er hatte dort eine heidebewachsene Endmoräne in einem alten Kiefernbestand als Bleistiftzeichnung begonnen. Borkige Stämme warfen ihre Schatten in ein struppiges Heidekraut. Viel lag ihm an der plastischen Rinde der alten Stämme im Vordergrund. Licht- und Schattenkontraste sollten das Bild gewissermaßen begehbar machen. Eingetaucht war er in dieses heile Stück Wald, das ihm auf dem Papier ganz allmählich immer greifbarer entgegentrat. Das Klingeln störte ihn, doch er ging schließlich öffnen, weil offensichtlich niemand aus der Familie etwas gehört hatte. Überrascht war er schon, als ihm dort Hans-Peter gegenüberstand, der ja sonst nicht so offiziell aufzutreten pflegte, wenn er ihn besuchte. „Was treibt dich denn her“, entfuhr es ihm erstaunt. „Ist irgendwas?“
    Hans-Peter schüttelte den Kopf.
    „Du siehst nicht gerade fröhlich aus“, stellte Sebastian fest.
    „Weshalb sollte ich“, entgegnete der Freund, trat dazu von einem Fuß auf den anderen und wischte etwas fahrig mit der Hand über seinen Jackenkragen.
    Sebastian sah ihn skeptisch an. „Was ist denn los“, fragte er. „Komm rein“, und er lotste ihn durch die Diele nach hinten ins Zimmer. „Ich zeichne gerade ein bißchen“, erklärte er mit einer Handbewegung zum Reißbrett.
    Nachdem Hans-Peter sich in einen Sessel fallen gelassen hatte, rückte er mit der Sprache heraus: „Ich gehe zur Stasi“, erklärte er trotzig entschlossen, kramte dazu eine Schachtel Zigaretten umständlich aus der Jackentasche und bot sie auch dem Freund an. Er tat das recht fahrig, bemerkte Sebastian, der das Ganze ein wenig wie in Zeitlupe wahrnahm, während er sich eine Zigarette aus der Schachtel fingerte und sie an Hans-Peters eilig gereichtem Feuerzeug entzündete. Allmählich verlor sich der Zeitlupeneffekt und er sah den Freund, wie er dort saß und an seiner Zigarette zog.
    „Kommst du mit?“ fragte der.
    „Du spinnst doch“, entgegnete Sebastian. „Das kann nicht dein Ernst sein.“
    „Doch, das meine ich schon. Wir hatten doch mal darüber gesprochen.“
    Sebastian lachte kurz auf. „Das war doch ‘n bloßer Witz“, sagte er.
    „So habe ich das aber nicht verstanden“, erwiderte Hans-Peter.
    „Nun hör’ aber mal auf! Von der Stasi war niemals ernsthaft die Rede. Ich kann einfach nicht glauben, daß du das wirklich so meinst…Alles nur ein Irrtum, alles umsonst? Wir kennen uns doch lange genug und ich weiß, wie du denkst. Du willst doch dein Leben nicht kaputt machen, denke ich jedenfalls.“
    „Will ich natürlich nicht, aber passieren würde das mit Sicherheit, wenn sie uns aufstöbern würden, zehn, fünfzehn Jahre, vielleicht nach Sibirien… Dein Westen würde sich für unsere Freiheit nicht einsetzen, das hat Hoffmann ja bereits

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