Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
private Leihbücherei in der Nähe des Marktplatzes. Irgendwelche Bücher über Forschungsreisen schwebten ihm vor, ein bißchen zur Ablenkung vor unangenehmen Überlegungen und Gedanken… Sven Hedin gab’s dort zur Ausleihe, das hatte er schon mal gesehen.
Was er nicht bemerkte, waren die beiden unauffälligen Zivilisten, die sich hinter den breiten Torpfeilern der Zufahrt ins Ledigenheim postiert hatten und ihm auf Schritt und Tritt bereits tagelang in einigem Abstand gefolgt waren: Wohin ging er, mit wem traf er sich, mit wem sprach er… Hinter ihnen geht einer, hinter ihnen steht einer, dreh’n sie sich nicht um. Nur daß Sebastian damit überhaupt nicht rechnete und sich schon deshalb nicht umdrehte.
Schließlich ging er davon aus, Freund Hans-Peter von dieser absurden Stasitour abgebracht zu haben, da er in den letzten Tagen ja auch nichts von ihm gehört hatte. Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Freundes kamen ihm nicht. Der würde sich schon wieder melden.
Gemeldet hatte der sich aber nicht bei seinem Freund, sondern vor Tagen bereits in der Senftenberger Stasi-Dienststelle: Eine kleine Villa, einst die Behausung einer mittelständischen Unternehmerfamilie, die längst zum Klassenfeind in den Westen gewechselt war.
62.
Innerlich zitternd war Hans-Peter Sasse durchs Gartentor besagter Villa gegangen, um an der hinteren Tür zu klingeln. Nichts deutete darauf hin, daß hinter dieser massiven Tür die Stasi residierte. Ein Allerweltsname über einer runden Bronzeschale in der Wand, in deren Mitte ein massiver Klingelknopf dem Daumendruck Hans-Peters nachgab. Ein Summer ertönte, Hans-Peter drückte die Tür auf und stand in einer geräumigen Diele, aus der eine geschwungene Treppe in obere Räumlichkeiten führte, eine zweite schmalere in die Kellerräume. Aus einer Tür trat ein Zivilist mittleren Alters in dunklem Anzug mit rotem Schlips. „Sie sind Hans-Peter Sasse?“
„Ja, ja“, bestätigte dieser hastig, denn dieser Zivilist machte keinen sehr freundlichen Eindruck.
„Kommen Sie“, sagte der, stieß die Tür auf und Hans-Peter trat in einen relativ großen Raum, in dem nur ein hoher grauer Stahlschrank, ein Schreibtisch vor dem Fenster, ein kleines Rollschränkchen und ein Hocker in einer Ecke neben der Eingangstür standen.
„Setzen“, sagte der unfreundliche Herr und wies auf den Hocker in der Ecke, als auch schon eine andere Tür zu einem Nebenzimmer aufging und ein Uniformierter den Raum betrat.
Ein bulliger Typ, mehr breit als hoch, meinte Hans-Peter, in straff sitzender Uniform mit Silbergeflecht und Goldknöpfen auf den Schultern. Der sah Hans-Peter abschätzig an, wie der dort auf dem primitiven Gestühl in der Ecke hockte. „Stehen Sie gefälligst auf, wenn ich den Raum betrete!“
Hans-Peter sprang erschrocken hoch.
„Stehen Sie gerade!“
Sasse junior straffte sich.
„Setzen!“ sagte der bullige Major.
Die behandeln mich wie einen Gefangenen, ging es Hans-Peter durch den Kopf, während er sich wieder auf den Hocker setzte.
Der Major ging in Breecheshosen und Stiefeln, deren Schäfte in weiche Falten fielen, über den leicht knarrenden Parkettboden, blieb stehen, sah einen Moment lang zum Fenster hinaus, wandte sich dann abrupt um, trat hinter den Schreibtisch und sah dieses Bürschchen in seiner Ecke streng an. „Ihr Vater hat uns von Ihrem verräterischen Tun berichtet. Wie sind Sie denn bei diesem Vater, einem verdienten Genossen, bloß auf solche Abwege geraten?“ Dabei schüttelte der Major seinen kantigen Schädel.
So wie der, das kannte Hans-Peter aus Filmen, sahen viele SS-Bullen auch aus. Laut erklärte er: „In den Zeitungen steht doch, man soll sich stellen.“
„Und Ihre Freunde, die wollten das nicht?“
„Ich habe lieber nicht gefragt, die wären dadurch nur gewarnt worden.“
„Ihnen ist aber auch klar, daß Sie der Deutschen Demokratischen Republik großen Schaden zugefügt haben, von den sowjetischen Freunden mal ganz abgesehen. Dafür erwarten wir eine vollständige Aufklärung. Sollten wir Sie beim Verschweigen oder Lügen ertappen, ist endgültig Schluß mit lustig. Also der Hauptmann hier“, dazu wies er mit einer Kopfbewegung auf den unfreundlichen Zivilisten, der in der anderen Ecke des Raumes stand, „wird sie akribisch befragen und alles aufschreiben. Doch wie schon gesagt, jede Lüge ist eine zuviel. Sie sitzen hier bei der Staatssicherheit, machen Sie sich das bewußt.“
„Ich hab’ mich doch aber freiwillig
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