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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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gesagt.“
    „Na schön, wenn du’s so siehst, dann würde ich mich an deiner Stelle zurückziehen, würde ganz aufhören und die Klappe halten, aber auch nach drüben abhauen könntest du doch jederzeit.“
    Hans-Peter bewegte verneinend den Kopf. „Was willst du da“, sagte er, „wenn die dich im Stich lassen …“
    „Du kannst dich doch selber kümmern. Dazu brauchst du Hoffmann und den Nachrichtendienst nicht. Ich jedenfalls will erst noch hier bleiben“, fuhr Sebastian fort, „wie wir’s verabredet haben. Und überhaupt, was ist eigentlich in dich gefahren?“
    Hans-Peter blickte auf die gehämmerte Kupferplatte des Rauchtischchens, an dem er saß und schwieg. Es hat keinen Zweck weiter zu reden überlegte er, der will nicht, der wird nie mitmachen.
    „Wer hat dir denn diesen Floh ins Ohr gesetzt? Dein Alter?“ hörte er Sebastian fragen.
    „Nein“, erwiderte Hans-Peter, „der weiß von nichts. Aber was heißt hier Floh ins Ohr gesetzt? Ich dachte nur, wegen ‘nem guten Posten, wenn schon nicht im Westen, dann eben hier.“
    „So’n Quatsch! Warte bis Ende nächsten Jahres, dann gehen wir beide rüber. Ich hab’ auch Verwandte drüben. Fürs Erste würden die uns bestimmt helfen.“
    Hans-Peter sah zu Sebastian auf, der am Zeichentisch stand. „Nächsten Jahres?“ winkte er ab, „das ist ja noch ‘ne Ewigkeit hin.“
    „Jetzt ist ja gleich Weihnachten und dann auch schon bald Frühling. Außerdem haben wir doch sowieso ein halbes Jahr Pause.“
    „Du hast gut reden“, meinte der Freund. „Im Winter mit dem Fahrrad über zugeschneite oder glatt gefrorene Straßen zu fahren bei Frost, der durch die Handschuhe geht, davor graust es mir mächtig. Ein Jahr kann auch ganz schön lang sein.“
    „Wieso auf einmal so wehleidig? Du bist doch jahrelang im Winter nach Altdöbern gefahren, da wirst du auch diesen einen noch überdauern. Was soll ich denn sagen bei Schnee und hohen Minusgraden im Holzeinschlag. Du sitzt wenigstens warm.“
    Hans-Peter zuckte mit den Schultern und erhob sich schließlich ziemlich plötzlich. „Na gut“, sagte er, „also wir sehen uns“, und er verabschiedete sich, „ich muß los.“
    „Denk’ noch mal darüber nach, du mußt wissen, was du tun willst“, ermahnte Sebastian den Freund und begleitete ihn zur Wohnungstür. „Und du läßt wieder von dir hören.“
    Hans-Peter nickte. Der will wirklich nicht überlegte er, als er das Haus verließ. Schade, warnen kann ich ihn jetzt nicht mehr. So überquerte er die Straße und ging langsam an Drei Linden vorbei, dort sah er bereits Licht hinter den Fensterscheiben des Lokals. Sebastian, überlegte er weiter, ist ahnungslos. Vertrauen ist Ehrensache … ging es ihm durch den Kopf. So was sagte sich sehr leicht. Und Totila? Popensohn hatte sein Vater gesagt. Aber irgendwas mußte er dem Pfarrer doch zukommen lassen, eine Warnung oder so, also eine, die er glauben konnte oder auch nicht.
    Anzeigen – das sei seine Pflicht, hatte sein Alter gesagt. Sebastian und Totila seien Klassenfeinde, wie der Vater das nannte. Und solchen gegenüber gäbe es keinen Verrat, meinte der, da sei Vertrauen null und nichtig und Freundschaft könne es gar nicht geben, wenn man nicht selbst zum Verräter an der Arbeiterklasse werden wolle. Und sein Vater? Ein Funktionär ist doch auch kein Arbeiter, das wußte doch jeder.
    So näherte Hans-Peter sich Schritt für Schritt dem Haus, in dem er mit seinen Eltern wohnte. Doch je näher er kam, umso schwerer fiel ihm jeder dieser Schritte. Was er nun vorhatte bedrückte ihn im wahrsten Sinne des Wortes, so daß er immer öfter tief durchatmen mußte. Und wenn er dann auch noch an den morgigen Tag dachte, an dem er sich in der Senftenberger Dienststelle der Stasi einzufinden hatte, um im Verhör seine Aussagen zu Protokoll zu geben wurde ihm regelrecht die Luft knapp, so daß sein Herzschlag stolperte.
    Es war wie ein Erschrecken, das ihn packte. Nicht die Angst vor der Stasi war es, es war die Angst vor dem, was er würde aussagen müssen, es war die Angst vor sich selbst. Dem konnte er nicht mehr entkommen und so versuchte er alle Zweifel zu ersticken, nach der probaten Methode: Augen zu und durch.

    Zu Hause angekommen schrieb er einen Zettel an Pfarrer Kunzmann und erklärte darauf, daß sie alle in Gefahr seien und er das auch Totila mitteilen möchte. Er hatte zuvor lange überlegt wie er eine Warnung abfassen konnte, die sich nicht allzu dringlich anhörte, so daß der Pfarrer

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