Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
Vom Netzwerk:
nicht einen Tag ersparen, ganz im Gegenteil. Die halten mich jedenfalls für doof. Sollen sie ruhig.
    „Sie haben sich in Dessau für den Ausbau des Flugplatzes interessiert.“
    Sebastian schüttelte wieder den Kopf. „Das sagt sicher auch Sasse.“
    Der Hauptmann nickte. „Das war Ihr Auftrag.“
    Wie kommt Moses bloß dazu…. Die müssen den irgendwie bedroht und eingeschüchtert haben oder es liegen solche Aussagen aus dem Westen vor, die man Moses vor die Nase gehalten hat. Und mir sagt man das nicht, ging’s ihm blitzschnell durch den Kopf. Ich soll glauben, Moses hat aufgegeben. Aber der wird auch nur zugeben, was sie ihm nachweisen. „Wir waren aber nicht in Dessau“, sagte Sebastian wieder.
    „Ihr Leugnen wird Ihnen nicht helfen“, erklärte der Hauptmann selbstsicher.

    So ging es die ganze Nacht weiter und Sebastian wurde allmählich klar, daß die Stasi tatsächlich vieles wußte und manche Details kannte. Doch er hielt sich erst einmal weiter daran alles zu leugnen oder gewissermaßen durch eine minimale Linsendrehung ein ganz anderes Bild mancher Vorgänge zu erzeugen, die er dann so gar nicht bestreiten mußte. Vorübergehend gelang es ihm damit Verwirrung zu stiften.
    In der dritten und vierten Nacht ohne Schlaf ließ seine Konzentration merklich nach. Völlig naß geschwitzt brachte man ihn jedes Mal erst früh in seine Zelle zurück. Auf der Pritsche stand dann das längst kalt gewordene Getränk im Aluminiumbecher neben den zwei Marmeladenbroten auf einem Stück Margarinepapier. Kaum hatte er das aufgegessen, schlief er auch schon im Sitzen ein, mit dem Rücken gegen die Matratze gelehnt, dazu das Kinn auf der Brust. Wenn er, was auch vorkam, im Schlaf langsam seitwärts auf die Pritsche sank, wurde er sehr bald wieder wach gepoltert. Am Tage im Sitzen zu schlafen war offensichtlich nicht verboten.
    Nach einer Woche führte der nächtliche Schlafmangel zu Gleichgewichts- und Sehstörungen. In der engen Zelle strauchelte er ganz plötzlich und fiel gegen die Wand, dabei riß er beinahe den Kübel in der Ecke mit sich. Ab und zu sah er nur noch verschwommen, manchmal aber auch doppelt. Beim Verhör verstand er immer öfter die Vernehmer nicht, sah nur ihre Lippen sich bewegen oder er begriff ganz einfach nicht mehr, was sie meinten. Er antwortete deshalb auch nicht, bis sie ihn anbrüllten, sehr unsanft stießen oder auch ins Gesicht schlugen. Dann schreckte er auf und gab Unzusammenhängendes von sich.
    Abends, immer wenn er seine Sachen rausgelegt hatte und die Tür hinter ihm ins Schloß gefallen war, hoffte er, einmal wenigstens bis früh in Ruhe gelassen zu werden. Er fiel dann auch immer sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Sein Körper brauchte jede Minute, um Kraft zu sammeln. Dahinter stand jedoch auch der Wille, jede Sekunde zu nutzen. Selbst bei den Verhören fiel er hin und wieder in einen Sekundenschlaf, ohne daß die Vernehmer das bemerkten. Deshalb begriff er dann auch manche Frage nicht.
    Nach acht Nächten stellte die Stasi ihre Taktik um. Verblüfft wurde Sebastian eines Morgens durch das laute Schrillen geweckt, das entsteht, wenn Eisen gegen Eisen geschlagen wird. Ein normales Wecken jedenfalls, wie es dort üblich war. Er fühlte sich zwar immer noch müde und zerschlagen, aber er taumelte beim Verlassen der Pritsche nicht mehr wie zuletzt. Er konnte dann auch in seine Sachen klettern, ohne sich dabei dauernd an der Wand abstützen zu müssen.
    Daß er in der letzten Nacht nicht zum Verhör geholt worden war, erfreute und verunsicherte ihn zugleich. Was hatten die jetzt vor? Außer, daß er Bodo Hoffmann in Westberlin kennen würde, hatte er noch nichts zugegeben, war ihm doch immer noch nicht klar, woher die so vieles wußten. Wo war das Leck?

    Der Tag verging, niemand holte ihn, auch in den Nächten nicht. Und so lief er tagsüber wieder stundenlang seine Achten. Beim Laufen dachte er an alles mögliche. Schließlich hatte es keinen Sinn, das war ihm klar geworden, dauernd über undichte Stellen nachzugrübeln, denen konnte er sich nur, so strapaziös das auch sein mochte, über ständige Verhöre nähern, die inzwischen jedoch schon die dritte Nacht ausgeblieben waren. Seltener hörte er in den nächsten Tagen das Klicken des Deckels und sah ein Auge im Spion, das ihn gleichgültig, manchmal schien es ihm aber auch neugierig, musterte. Es waren dies immer andere Augen, blaue, braune, graue.
    Er hatte jetzt bereits zweiundzwanzig eigene Striche in die Wand

Weitere Kostenlose Bücher