Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
gehörten zu den gängigen Methoden.
Als eine Woche vor Weihnachten Schritte vor seiner Zellentür Halt machten und die Riegel krachten, glaubte er, wieder einmal am Tage zum Verhör geholt zu werden. Stattdessen schob der Schließer einen Schicksalsgenossen in die Zelle. Dieser stellte sich, nachdem die Tür hinter ihm ins Schloß gefallen war, als Olaf aus Kamenz vor. Er sei dort Inhaber einer Drogerie gewesen.
Nachdem Sebastian sich ebenfalls vorgestellt hatte, erkundigte er sich erstaunt: „Wieso gewesen …?“
„Na, die werden mich enteignen.“
„Warum das denn?“
„Das ist so üblich.“
„Und aus welchem Grund?“
„Private müssen weg.“
Olaf wies auf die beiden Matratzen. „Welche soll ich nehmen?“
„Die rechte“, sagte Sebastian. Ganz so glücklich war er gar nicht über einen, der seine Einsamkeit teilen sollte. Für seine Achten würde es nun sehr eng werden, es sei denn, sie liefen immer beide gleichzeitig hintereinander her. Und diesen kleinen Kübel in der Ecke mußten sie nun auch teilen. Etwas peinlich war ihm das mit dem Kübel immer noch.
Weshalb er denn nun eigentlich hier sei fragte Sebastian, nachdem sich beide auf ihre Seite der Pritsche gesetzt hatten.
„Also privat“, sagte Olaf, „ist schon mal nicht erwünscht. Der Grund: Ich habe mit Nachbarn in meiner Wohnung am 17. Juni Rias gehört.“
Sebastian schüttelte erstaunt den Kopf. „Und deshalb haben sie dich gleich verhaftet?“
„Meine Drogerie war denen schon immer ein Dorn im Auge.“
„Und darum kümmert sich die Stasi?“
„Na klar“, bestätigte der Drogist.
Ende dreißig schätzte Sebastian ihn. Vielleicht wirkte er aber mit Glatze und Haarkranz auch etwas älter.
„Herstellung eines öffentlichen Forums zur Abhörung von Feindsendern“, erklärte Olaf weiter, „das kann schon leicht fünf Jahre geben. Aber prinzipiell geht es wohl darum, mir die Drogerie wegzunehmen“, setzte er nach kurzer Pause hinzu. „Und du, warum bist du hier?“
„Auf Verdacht“, antwortete Sebastian. „Ich soll in Westberlin einen Mann vom deutschen Geheimdienst gekannt haben.“
„Stimmt denn das?“
„Quatsch! Ich habe den zwar gekannt, durch Zufall kennen gelernt, habe aber nicht gewußt, was der treibt. Ein Freund hat der Stasi erzählt, daß wir das gewußt hätten. Ich habe keine Ahnung, was die mit dem gemacht haben, daß der so’n Mist erzählt. Aber sag mal“, wandte er sich an den neuen Zellengenossen, „was soll das mit dem öffentlichen Forum? Was heißt denn das? Man kann doch Radio hören und nicht nur Radio DDR.“
„Ja, aber nur alleine in der eigenen Wohnung.“
„Das hab’ ich so noch nie gehört.“
„Nun hast du’s.“
„Ja aber, wenn wir beide jetzt ein Radio hätten, hier in der Zelle, dann wäre das also, wenn wir Rias hörten, ein öffentliches Forum.“
Der Neue lachte. „Ja und du bekämst als Zelleninhaber fünf Jahre übergebraten.“
„Nee, wir beide. Außerdem hab’ ich die Zelle ja nicht gemietet.“
„Und ich bin nicht zu Besuch hier.“
„Ja richtig, wir beide also.“
Der andere lachte wieder. „Das sind schon abstruse Vorstellungen“, sagte er.
„Wir sind doch immer noch Untersuchungsgefangene“, sagte Sebastian. „Im Westen dürfen die Zeitung lesen, Radio hören, Briefe schreiben und alles mögliche tun.“
„Wir sind aber nicht im Westen und auch keine Untersuchungsgefangenen“, erklärte Olaf, „sondern bloße Nummern, jeder hat doch seine bei sich.“
Sebastian grinste und wiegte den Kopf. „Ich fühl’ mich aber absolut nicht so, ich meine als Nummer.“
„Hast du denn keine Angst?“
„Angst schon, also daß die mir was anhängen.“
„Wenn die bei dir dabei bleiben ist das Spionage und alles mögliche andere noch, dann kriegst du die geballte Ladung, so zwischen zehn und fünfzehn Jahren, vielleicht auch lebenslänglich und das auch schon, wenn dein Freund nur bei seinen Aussagen bleibt. Ob du dann irgendwas zugibst oder nicht ist völlig wurscht.“
„Aber warum sollte der dabei bleiben?“
„Ja warum“, sagte Olaf und mit einer weiten Handbewegung, „weil er vielleicht nicht in den Knast will.“
„Wieso sollte der das wollen, wenn er doch nichts gemacht hat? Also ich weiß nicht“, fuhr Sebastian halblaut mehr zu sich selbst fort und lief dabei wieder seine Achten, während der Neue die Beine auf die Pritsche legte. „Ich kann mir das von meinem Freund nicht vorstellen“, sagte er schließlich laut.
„Aber
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