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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Löffel auf Anweisung des Schließers neben der Tür auf den Gang gestellt hatte und diese erneut ins Schloß gefallen war, nahm er das Laufen wieder auf, einmal links- einmal rechtsherum, dabei kam er immer nahe an der Tür vorbei. Etwa alle zehn Minuten klickte ganz leise der Deckel des Spions und wenn er hinblickte, sah er direkt in eine dunkle Pupille in hellblauer Iris. Diese Augen, erinnerte er sich, dieses wässerige Blau, die gehörten dem jungen blonden Läufer, der ihn das erste Mal zum Verhör geholt hatte.
    Als es dann wieder ganz leise klickte und Sebastian durch den Spion in dieses Auge sah, blieb er stehen, schüttelte den Kopf und lächelte. Rasch fiel die Klappe und ganz leise Schritte entfernten sich. Schuhe trägt der nicht, erklärte Sebastian sich diese fast lautlosen Schritte auf dem Gang. Er schraubte weiter ausdauernd seine Achten über den Zellenboden.
    Was würde Christa sagen, überlegte er dabei. Von seiner Familie ganz abgesehen. Seiner Schwester Karin gegenüber hatte er mal was durchblicken lassen, falls er eines Tages verschwunden sein sollte. Doch zum Glück war ja seine Großmutter dazugekommen und hatte aus erster Hand berichten können. Zumindest wußten seine Leute jetzt Bescheid.
    Ihre Eltern wissen nicht, wo Sie sind, hatten die ihm beim Verhör gesagt. Das hätten die natürlich gern: Ungewißheit, Panik, Angst … Erzählen Sie alles und Sie können Weihnachten wieder zu Hause sein. So’n Quatsch!
    Müdigkeit machte sich stärker bemerkbar. Schließlich kippte er die Matratze einfach auf die Pritsche, streifte die Schuhe von den Füßen und legte sich darauf. Nach einer Minute war er bereits fest eingeschlafen, um nach etwa zehn Minuten wieder wach gepoltert zu werden. Er fuhr verwirrt aus traumlosem Schlaf, saß auf der Matratze und sah zur Tür.
    „Liegen am Tage verboten!“ hörte er die Stimme eines Schließers und so kippte er die Matratze wieder gegen die Wand und setzte sich auf die Kante der Pritsche, stützte die Ellenbogen auf die Knie, legte das Kinn in die Hände und starrte zu Boden.
    Die haben mich noch immer nicht geholt, überlegte er. Wie wird’s Freund Moses gehen und was ist mit Totila, was mit dem Pfarrer …? Völliges Leugnen, das war ihm inzwischen klar geworden, war zwecklos. Und das hatte Hoffmann wohl damals auch gemeint, als er über ihr Auftreten im „Doppelpack“ nicht eben erfreut gewesen war … und dann auch noch Totila. Jeder weiß vom anderen, den einen kriegen die bloß eher mürbe als den anderen und spielen das aus.
    So genau hatten wir das nicht überlegt, sagte er sich, dabei lag’s doch auf der Hand. Hoffmann hätte damals nicht einwilligen sollen und ich hätte alles alleine machen müssen, kam ihm die späte Einsicht. Daß ausgerechnet Hoffmann ihm gegenüber nicht konsequent gewesen war, hatte sich nun als Riesenfehler erwiesen. Wir hätten doch im Westen bleiben sollen, wie Moses das vorgehabt hat mit seinem Köfferchen, so als ob der damals schon was geahnt hätte. Ich wollte ja noch gar nicht …
    Auch ein Fehler, sagte er sich. Und immer wieder die Frage: Woher kannten die seinen Decknamen? Den kenne nur er, hatte Hoffmann damals gesagt. Niemand in Bonn oder Pullach könne den zuordnen. Hoffmann ein Verräter? Aber vielleicht, ja vielleicht haben die den auch schon geschnappt, einfach entführt? Dann müßte es irgendwo in Bonn oder Pullach eine undichte Stelle geben.

    Es war kalt in der Zelle und so begann er wieder seine Achten zu laufen. Eigentlich, meinte er und sah sich dazu kurz um, ist es ja kaum denkbar, daß man das hier viel länger als ein paar Tage aushalten kann. Der Blick zum Fenster zeigte auch an, daß der kurze Wintertag dort draußen sich schon früh anschickte in eine lange Nacht überzugehen. Eine Nacht der Verhöre oder würde er diesmal davon verschont bleiben? Während der Tag hinterm Rillenglas verblaute, breitete sich in der Zelle das gelbe, fast schattenlose Licht der schwachen Glühbirne aus. Und die hatten ihn noch immer nicht zum Verhör geholt. Einerseits bangte ihm ja schon den ganzen Tag davor, andererseits machte ihn jedoch das Warten auch wieder nervös.
    Zum Abend gab es dann diese Plörre, wie er das lauwarme Zeugs im Aluminiumbecher nannte, dazu zwei Scheiben Brot mit Margarine. Schließlich stand er wieder im Hemd in der Zelle, mußte Meldung machen: Häftling 268 in Zelle 156… und seine Kleidung rauslegen. Dabei merkte er auch wieder, wie kalt es in der Zelle wirklich war.

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