Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
Vom Netzwerk:
Nickisch fest. „Großräschen, da bin ich schon durchgekommen. Aber weshalb bist denn du hier?“
    „Westdeutscher Nachrichtendienst“, sagte Sebastian, da er das ja jetzt nicht mehr zu verschweigen brauchte. „Und du?“
    „Zeugen Jehovas“.
    „Das sind doch die Bibelforscher, oder?“
    „Das sagen die anderen.“
    „Aber dafür wird man doch nicht eingesperrt…“
    „Dafür nicht, nur wenn du predigst“, erklärte Manfred.
    „Hast du das denn?“
    Manfred lachte kurz. „Natürlich, wir müssen Menschen ja ansprechen.“
    „Ein Freund von mir“, sagte Sebastian, „der auch hier sitzt, ging in Hermannswerder auf so’n kirchliches Oberseminar, den hatten sie in Senftenberg von der Schule gejagt. Junge Gemeinde, also Kugelkreuzbanditen sagen die dazu.“
    Manfred nickte.
    „Der hat auch für den Westen gearbeitet“, ergänzte Sebastian.
    „Die Zeugen Jehovas“, erklärte Manfred, „lehnen jede Art von Eingriff oder gar Gewalt ab. Und deshalb lehnen wir auch die Ansprüche eines jeden Staates an uns ab. Jehova ist unser König.“
    „Und nicht der Spitzbart“, warf Sebastian ein.
    Manfred grinste und schüttelte den Kopf.
    „Ihr würdet euch nicht wehren?“
    „Nein.“
    „Das heißt, du würdest nichts für den Westen gegen die Diktatur hier tun, auch wenn du’s könntest?“
    Manfred schüttelte wieder den Kopf. „Im Westen sind’s doch auch bloß Staaten, Regierungen, die Gewalt ausüben.“
    „Aber im Westen dürft ihr predigen und Menschen überzeugen.“
    „Ja natürlich.“
    „Und tun würdest du nichts dafür, daß das auch hier möglich wird?“
    „Nein.“
    „Aber die sperren euch hier ein“, entgegnete Sebastian mit Vorwurf in der Stimme. „Was wollen die euch denn überbraten für’s Predigen?“
    „So zwischen acht und fünfzehn Jahren, das ist üblich.“
    „Und ihr predigt immer weiter?“
    „Was heißt predigen? Wir sind vor Gott verpflichtet Menschen anzusprechen und ihnen den Weg in die Erlösung, ins Himmelreich zu zeigen.“
    „Bei so hohen Strafen? Dazu gehört aber ziemlicher Mut, so für eure Sache einzustehen.“
    „Das ist keine Sache“, widersprach Manfred. „Der Kommunismus ist eine Sache, der Kapitalismus eine andere, Jehova aber ist das ewige Leben.“
    „Aber ihr seid doch sonst nicht anders als andere Leute“, wunderte sich Sebastian. „Ihr geht arbeiten, zahlt Steuern und so…“
    „Ja klar, wir sind keine weltlichen Umstürzler.“
    „Ich verstehe immer noch nicht, wofür die euch einsperren. Ihr seid Märtyrer, so was wollen die doch eigentlich gar nicht.“
    Manfred nickte. „Kann man so sagen.“
    „Und Jehova rechnet euch das hoch an, also daß ihr euch für ihn einsperren laßt?“
    „Wir sind ja verpflichtet das zu tun.“
    „Ich sehe schon“, sagte Sebastian, „das macht dir alles gar nichts aus, auch nicht womöglich fünfzehn Jahre zu kriegen.“
    „Jehova hat mich hierher gestellt“, sagte Manfred, „und ich darf mich bewähren.“
    „Du bist also froh, daß du hier bist?“ Sebastian sah den neuen Zellengenossen interessiert an.
    Manfred wiegte den Kopf. „In gewissem Sinne schon“, sagte er schließlich. „Natürlich, zehn oder fünfzehn Jahre“, fügte er hinzu, „sind schon eine Katastrophe, aber ich habe damit die Chance Gott zu bezeugen.“
    Sebastian lachte. „Da müßtest du mich ja nun auch agitieren“, sagte er.
    „Wir agitieren nicht. Wir wollen Menschen helfen. Es geht ums ewige Leben.“
    „Vielleicht wollen viele gar nicht ewig leben.“
    Manfred winkte ab. „Doch nicht leben wie hier.“
    „Wie meinst du das, hier? Hier im Knast?“ Und Sebastian wies dabei mit der Hand in den Raum.
    „Quatsch! Ich meine hier in unserer Welt, einer Welt der Gewalt…“
    „Na, der Krieg“, warf Sebastian leicht grinsend ein, „ist ja Gott sei Dank schon ein paar Jahre vorbei.“
    Manfred schüttelte den Kopf. „Die Welt ist auch ohne Krieg voller Gewalt.“
    „Hm, das stimmt“, bestätigte Sebastian nachdenklich, „da hast du recht. Wir erleben’s ja hier schon fast täglich.“
    „Und so wird’s auch weiter geh’n“, fügte Manfred hinzu, „bis Armageddon.“
    „Was ist’n das?“
    „Die letzte große Schlacht, die Gottesschlacht.“
    „Schon wieder Krieg und Gewalt?“
    „Wer Gott bis dahin nicht erkannt hat“, sagte Manfred, „wird für immer verloren sein.“
    „Und die Zeugen Jehovas?“
    „Die Gotteskinder gehen zu Gott“, erklärte Manfred, „ins ewige Leben.“
    „Und die

Weitere Kostenlose Bücher