Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
forderte der Major ihn auf und wies auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch.
Hans-Peter folgte der Aufforderung.
„Der Tag Ihrer eigentlichen Bewährung naht“, erklärte der Major, sah Hans-Peter an und zeigte dazu sein schiefes Grinsen. „Wir wollen uns diesen Hoffmann holen“, sagte er nach einer Pause mit nun ernstem Gesicht, „und Sie müssen jetzt Ihre Rolle dabei spielen“, dazu schob er ihm eine Zigarettenschachtel über den Tisch. „Da Sie mit Hoffmann ja eine Kontaktpause vereinbart hatten, die nicht begrenzt war wie Sie sagten, könnten Sie ihn ja jederzeit in Westberlin anrufen und ein Treffen vereinbaren. Der weiß mit Sicherheit noch nichts von den Festnahmen. Dieser Pfarrer Kunzmann wird auf Schritt und Tritt überwacht, ebenso alle, die mit ihm zusammentreffen. Das gleiche gilt auch für die Familie Sebaldt. Sie fahren also morgen nach Berlin. Drei unserer Genossen begleiten Sie nach Westberlin. Von dort aus rufen Sie Hoffmann an und sagen ihm, daß Sie ihn dringend treffen müssen. Unsere Mitarbeiter heften sich unauffällig an Ihre Fersen. Die kleine Ampulle haben Sie dann wie besprochen schon bei sich. Sie verhalten sich wie immer und bestellen sich im Lokal schon mal ein Bier – in Drei Bären, sagten Sie?“
Sasse nickte.
„Zwei unserer Leute befinden sich dann ganz in Ihrer Nähe. Drei Bären kennen wir ja … also morgen geht’s los.“
„Und wenn der nicht da ist“, warf Sasse ein.
Der Major hob die Schultern und schüttelte den Kopf. „Dann versuchen wir’s eben am nächsten Tag“, sagte er, „oder noch später. Das ist kein Problem. Ein Problem ist lediglich, wie Sie den Inhalt der Ampulle an den Mann, in diesem Falle Hoffmann, bringen. Wir werden ihn durch einen Anruf ablenken.“
„Aber wenn der stutzig wird“, gab Sasse zu bedenken, „weil vielleicht keiner wissen kann, daß er in Drei Bären ist?“
Der Major lachte. „Das ist konspirativ gedacht“, sagte er anerkennend, „aber wir haben dann nach einem Herrn Homann gefragt, nicht Hoffmann – also ein banaler Hörfehler.“
„Aber Hoffmann muß sich davor erstmal ein Getränk bestellen.“
„Ja sicher, das ist klar. Sie müssen das Zeug ja irgendwo reinschütten.“
Der Oberst saß die ganze Zeit schweigend daneben. „Sagten Sie nicht mal, dieser Hoffmann sei leichtsinnig“, fragte er schließlich.
„Ja, stimmt“, bestätigte Sasse.
„Wie äußert sich denn das?“
„Wir meinten immer, daß er Gefahren unterschätzt, jedenfalls kam uns das so vor. Zum Beispiel ist er manchmal auch mit uns in den Ostteil Berlins gefahren. Dabei war gar nicht klar, ob er dort nicht längst bekannt war. Wir hielten das jedenfalls für leichtsinnig.“
Der Oberst nickte. „Dieser Hoffmann sieht alles recht locker, meinen Sie?“
„Ja.“
„Er wird nur kurzfristig außer Gefecht gesetzt“, erklärte der Oberst, „und dann ab im Auto über die Grenze. Wir machen das ja nicht zum ersten Mal.“
„Ich weiß“, bemerkte Hans-Peter, „im Westen nennen sie das Menschenraub.“
Über das breite Gesicht des Obersten zog der Zorn wie eine Gewitterwolke und Hans-Peter Sasse bereute bereits seine Worte.
„Wenn der Sozialismus, und erst recht auf deutschem Boden, angegriffen wird“, sagte der Oberst scharf, „gibt’s bei uns keinerlei Grenzen der Zurückhaltung. Wie die das nennen kann uns wurscht sein.“
Jetzt erst bemerkte Sasse die Gefährlichkeit dieses Mannes, dessen Hemmschwelle offensichtlich beängstigend flach war. „Ich sehe das natürlich ebenso“, beeilte er sich zu beschwichtigen, doch es dämmerte ihm, daß das, was er tun sollte der Einstellung des Obersten in nichts nachstand. Die Stasileute versehen ihren Dienst, ob zu recht oder unrecht, aber ich…? Mein Beruf ist es ja nicht … noch nicht.
Dann hörte er den Major wieder: „Also noch einmal“, sagte der, „Sie fahren morgen früh mit unseren Leuten nach Berlin.“ Dazu lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, „so können Sie diesen Hoffmann schon am Vormittag zu erreichen versuchen.“
Hans-Peter stimmte nickend zu.
„Wenn er kommt“, fuhr der Major fort, „ist die Sache ganz einfach. Das Mittel lähmt lediglich.“
„Der merkt dann die ganze Zeit, was passiert“, fragte Hans-Peter Sasse sichtlich erschreckt.
„Ja natürlich“, bestätigte der Major, lehnte sich nach vorn und stützte sich dabei mit beiden Händen an der Schreibtischkante ab. „Wir wollen doch keinen Besinnungslosen dort rausschleppen müssen. Aber
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