Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
Kabinenroller?“
„Na, so’n schmaler, niedriger Zweisitzer, man sitzt dort hintereinander wie auf einem Motorrad, bloß mit Dach.“
„Ja und, das ist doch alles prima.“
„Das sagst du, aber du kommst dir dort vor wie’n Bettler.“
„Quatsch, das glaube ich nicht.“
„Warst du schon mal drüben?“
„Nee, nur in Westberlin. Aber was hat dich denn daran gestört, daß manche schon ein Auto haben?“
„Die gucken dort auf dich runter.“
„Das bildest du dir bestimmt bloß ein … Und wenn schon, laß sie doch gucken.“
„Du warst noch nicht drüben. Da bist du nur ein Flüchtling und das ist der letzte Husten. Manche sagen dir direkt, warum bist du nicht geblieben, wo du hergekommen bist?“
„Ich denke, die haben dir dort Möbel und Geschirr geschenkt.“
„Ja, als Almosen.“
„Du bist aber mit deinen Arbeitskollegen gut ausgekommen, hast du doch gerade gesagt.“
„Auf Arbeit schon, aber nach Feierabend warst du ein Nichts, ohne Familie, ohne Freunde … Die kannten sich dort alle und du warst ein Fremder.“
„Und deswegen bist du zurück?“
„Ja. Ich hab’ meinen Eltern geschrieben, die sollten sich erkundigen.“
„Und?“
„Na ja, die waren beim Rat des Kreises, Abteilung Inneres und da hat man ihnen gesagt, ich kann jederzeit zurückkommen. Ich hätte nichts zu befürchten.“
„Und was werfen die dir jetzt vor?“
„Geheimnisverrat, Spionage … Von den Amis bin ich im Lager befragt worden, aber das wurden alle, die da durchgegangen sind. Was sollte ich denen schon erzählen? Die wußten selber viel mehr als ich. Die Fahnenflucht, sagten die von der Stasi, ist durch meine freiwillige Rückkehr gestrichen worden. Der Geheimnisverrat aber, wie die das nennen, ist ganz was anderes.“
„Und wie bist du dann zurückgekommen?“
„Na, mit dem Zug. In Wartha haben sie mich rausgeholt. Ich hatte ja keine Einreisepapiere, nur meinen westdeutschen Ausweis. Ich habe auch gleich gesagt, daß ich bei der Fahne war und wieder zurück will.“
„Wie haben die das denn aufgenommen?“
„Ein bißchen verwirrt, aber als ich das vom Rat des Kreises erzählt habe und vom Brief meiner Eltern, bestätigten die mir auch, daß das mit der Flucht durch die freiwillige Rückkehr erledigt ist. Ich muß nur noch mal kurz befragt werden, sagten die.“
„Warum dann Cottbus und nicht Erfurt?“
Der einstige Gefreite hob die Schultern.
„Haben die irgendwas von einer Strafhöhe gesagt?“
„Ja schon, so zehn, zwölf Jahre …“
„Die sind einfach bescheuert, das wird sich auch nicht ändern“, reagierte Sebastian und schüttelte den Kopf.
Schließlich verschwand dann auch dieser gewesene Volksarmist eines Tages genauso spurlos aus der Zelle wie seine Vorgänger. Zum Verhör geholt wurde dann aber auch Sebastian wieder. Man fragte ihn nach allem möglichen, kreuz und quer. Nach einigem Hin und Her stellten sie dann seine Aussagen denen Hans-Peters gegenüber, lasen diese ihm sogar wörtlich vor. Und wenn er etwas dagegen zu sagen versuchte, ließen sie es von vornherein nicht gelten. Irgendwann empörte Sebastian sich darüber. „Alles was ich sage ist Lüge, nur was der Sasse sagt, das stimmt.“
„Ja“, wurde ihm vom Hauptmann grinsend bestätigt, „der hat keine Veranlassung zu lügen. Er ist nämlich freiwillig zu uns gekommen. Sie aber haben allen Grund dazu und klammern sich jetzt natürlich an jeden Strohhalm.“
Sebastian hatte das Gefühl einen Schlag vor den Kopf bekommen zu haben. Also doch! Enttäuschung und Wut kochten in ihm hoch, das Blut summte ihm in den Ohren. Verraten! Sasse hatte ihn verraten und wohl auch Totila auf dem Gewissen … Deshalb wissen die das also alles. Laut beschimpfte er dann den Verräter: „Ich wollte es nicht glauben, dieser hinterhältige Schweinehund und so was war mal mein bester Freund.“
Der Hauptmann zuckte bloß spöttisch mit den Schultern. „Ihr Pech“, sagte er, „wir haben allen Grund diesem Sasse zu glauben. Der geht von hier aus auch wieder nach Hause, Sie nicht! Sie können sich schon immer mal auf Jahrzehnte hinter Gittern gefaßt machen.“
Sebastians lautes Geschimpfe lockte den Major und einen Zivilisten in den Raum.
Der Hauptmann schüttelte nur den Kopf. „Nichts weiter“, sagte er und winkte ab.
Sebastian saß vornüber gebeugt auf seinem Hocker. Ihm war völlig gleichgültig, was die dort sagten und dachten. In Fetzen hätte er sich reißen lassen für diesen Freund, der ihn jetzt für
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