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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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bei der Armee. Die haben nur gelacht. Mein Vermögen wird eingezogen haben sie gesagt, auch die Wirtschaft, das Vieh … mir wurde ganz schwindelig. Und meine Frau? Habe ich gefragt… und der Sohn, was wird aus denen? Die sollen sich ‘ne Wohnung suchen, haben sie gesagt. Und als ich fragte, wann ich wieder nach Hause kann, haben die bloß wieder gelacht. Das wissen sie nicht, das entscheidet das Gericht. Zwischen fünf und zehn Jahre sagte der Eine.“ Der Kopf des Alten sank wieder auf seine Brust.
    „Die sind verrückt, so lange wirst du nicht sitzen“, erklärte Sebastian. „Sieh mal bei mir, ich habe immerhin für’n westlichen Nachrichtendienst gearbeitet und das ist doch wirklich was anderes, als eine Gans aus dem Spreewald in Westberlin gegen eine Säge einzutauschen. Du hast doch nicht mal gewußt, daß man eine DDR-Gans auch wenn sie einem gehört, nicht gegen ein Westberliner Sägeblatt eintauschen darf. Und ehrlich, ich wußte das auch nicht, mich hätt’s genauso erwischt. Wer kommt schon auf so was?“, erregte Sebastian sich. „Es wär schon blöd genug, wenn sie dir nur die Säge weggenommen hätten. Und klassenfeindliche Druckerzeugnisse?“ Sebastian griff sich an den Kopf, „was du da hattest, waren doch bloß Produktbeschreibungen. Was ist da klassenfeindlich? Vielleicht nur, daß sie Dinge beschreiben von denen man hier nicht mal träumen darf. Das wär dann womöglich Verächtlichmachung des Arbeiter- und Bauernstaates und nährte Zweifel am siegreichen Fortschreiten des Kommunismus.
    Man kann das weitertreiben, am Ende bist du dann mit deiner Gans und der Säge mitschuldig am Ausbruch eines dritten Weltkrieges. Mit solchen Urteilen wollen die bloß abschrecken und einschüchtern“, fügte Sebastian hinzu, während er die ganze Zeit seine Achten drehte und nur ab und zu stehen blieb. „Sowas sind Terrorurteile“, sagte er. „Der Aufstand im vorigen Jahr scheint denen noch in den Knochen zu stecken.“
    Der Fall dieses Bäuerleins, das dort zusammengesunken auf der Pritsche hockte und so ohne Hoffnung war, brachte ihn auf- aber vielleicht hatten die sich mit dem auch nur einen Spaß gemacht? „ Meinst du nicht“, fragte er und blieb vor der Pritsche stehen „ daß die dir vielleicht nur Angst machen wollten?“
    Paul schüttelte wieder den Kopf. „Das war kein Spaß. Die haben erst später so geredet, am Anfang waren die nicht so. Ich glaube, die haben telefoniert, wer weiß mit wem? Dreimal habe ich den Beitritt in die LPG abgelehnt.“
    „Wie groß ist denn dein Hof?“
    „Ich bin nur Mittelbauer“, antwortete Paul, „aber der Hof ist über dreihundert Jahre in der Familie … und jetzt weg und alles aus?“
    „Wenn’s wirklich so kommen sollte, dann hätten die auch irgendeinen anderen Grund gefunden.“
    „Aber in der LPG hätte ich den Hof nicht mehr halten können, das Haus, die Ställe, die Scheune … das Vieh aus der ganzen Umgebung im Gemeinschaftsstall, Heu und Stroh in der Gemeinschaftsscheune. Später mal, haben die gesagt, leben auch die LPG- Mitglieder nicht mehr in ihren alten Häusern, die braucht dann niemand mehr. Alle wohnen dann zusammen in bequemen großen Gemeinschaftshäusern mit Zentralheizung, Warmwasser und Spültoiletten…“ Paul winkte ab. „Das habe ich lange selber schon gehabt, Heizung und Spültoilette. Wir wohnen doch hier nicht beim Ivan“, sagte er mit Empörung in der Stimme.
    „Warst du im Krieg?“ fragte Sebastian.
    „Nein. Ich bin jetzt sechsundsechzig. Der Älteste ist gefallen und ein Nachkömmling wieder in der Armee. Ich habe ihm abgeraten. Er ist freiwillig gegangen.“
    „Ist er denn überzeugt?“
    Der Alte schüttelte den Kopf. „Lieber in der Armee, als in der LPG, hat er gesagt.“
    „Dann hast du ja keinen Nachfolger nach über dreihundert Jahren für den Hof.“
    Der Alte hob die Schultern, „die nehmen mir sowieso alles weg. Mit dem Bauernstand wird’s ein Ende haben, bald oder etwas später.“
    „Landwirtschaft wird doch aber gebraucht“, warf Sebastian ein.
    „Ja, aber unsere Höfe sind zu klein und das mit der LPG klappt nicht.“
    „Ja aber was dann?“
    „Große Flächen“, erklärte der alte Bauer.
    „Das will man doch auch in der LPG“, sagte Sebastian.
    „Das sind dort keine Bauern mehr, nur noch Landarbeiter und daraus kann nichts werden.“
    „Ich verstehe schon, du meinst ein Bauer muß selbständig sein, eigenverantwortlich, wenn er Erfolg haben will. Ein Landarbeiter aber macht seine

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