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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Arbeit, in der Regel immer dieselbe.“
    Bauer Socharick nickte nachdrücklich, „ich denke so ist das. In die LPG wollen die Jungen nicht. Die gehen in die Stadt, oder auch gleich nach drüben.“
    „Oder in die Armee“, ergänzte Sebastian grinsend.
    „Wohl weniger gern“, sagte der Alte mit schiefem Lächeln. „Man will die schon in der LPG halten. Für die Jungen ist es nicht leicht von dort wegzukommen:“
    „Außer in die Volksarmee“, ergänzte Sebastian wieder.
    Der Alte nickte. „Ja vielleicht in einen neuen Krieg …“
    „Aber diesmal in einen gerechten“, sagte Sebastian und lachte laut dazu. „Das wäre dann ein Krieg für den Weltfrieden.“ Schließlich setzte er sich ebenfalls auf den Pritschenrand. Beide schwiegen. Durch die Rillenglasscheiben blitzte ein blauer Frühlingshimmel.
    Die Wintersaat wächst, ging es dem Bauern durch den Kopf. Er hätte längst gepflügt, geeggt und Sommergetreide ausgebracht. „Die Frau alleine kann das nicht“, murmelte er und verstummte wieder.
    Sebastian betrachtete den Schattenriß des Fabrikschornsteins an der Wand. „Es ist gleich Mittag“, sagte er nach einer Weile. „Mal sehen, was es gibt, Kohlblätter in warmem Wasser oder Pellkartoffeln in Fischmehlsoße, vielleicht auch Bruchnudeln. Ein Wunder“, fuhr er nach einer Pause fort, „daß es hier überhaupt noch Kartoffeln gibt. Draußen kriegst du um diese Jahreszeit nicht eine einzige.“
    „Ich bin für Kartoffeln“, sagte der Alte. „Die Nudelpampe“, fügte er hinzu, „verkleistert nur den Magen.“
    Aber es gab dann, wie schon die Tage zuvor, doch wieder nur zerkochte Kohlblätter in warmem Wasser. Mit Glück fanden sich hin und wieder ein paar Mehlklümpchen darin.
    Eines Tages wurde der Alte aus der Zelle geholt. Sebastian wußte ja nie, ob einer, der geholt wurde, auch wiederkommen würde. Nach einiger Zeit hörte er dann aber draußen auf dem Gang Schritte, nicht nur vom Schließer allein, die dann vor seiner Tür hielten und als diese aufsprang, trat ihm wieder der alte Spreewaldbauer entgegen. Er sah richtig traurig aus.
    „Was ist los“, fragte Sebastian, nachdem die Zelle verriegelt worden war.
    „Ich hab’n Termin, in drei Tagen“, sagte der Alte. „Die haben meine Frau benachrichtigt, haben ihr gesagt, die soll mir saubere Wäsche und ‘nen Anzug für die Verhandlung schicken.“
    Sebastian schüttelte den Kopf und sah den Alten, der zusammengesunken auf der Pritsche hockte, ratlos an.
    „Also wirklich“, sagte er dann, „ich kann mir deine Verhandlung überhaupt nicht vorstellen. Die werden diese Groteske, könnte ich mir denken, vielleicht nicht öffentlich aufführen.“
    „Du hast doch aber selber gesagt, die wollen abschrecken“, sagte der Alte und sah zu Sebastian hoch, der mit hängenden Armen vor ihm stand.
    „Schon“, entgegnete Sebastian, „es kann aber auch wie im letzten Sommer wieder passieren, daß die Leute am System zu zweifeln beginnen bei solchem Quatsch.“
    „So lange einer nicht selber in diesem Mist sitzt, bleibt er mit dem Hintern an der Wand“, sagte der alte Bauer mit einer wegwerfenden Handbewegung. Aus dem Dorf haben sich ja viele Werkzeug und Ersatzteile im Westen besorgt, ohne das wäre ja vieles schon gar nicht mehr möglich gewesen. Wenn andere das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe, haben die mir beim Verhör gesagt.“
    „Ich glaube, wenn du LPG-Mitglied gewesen wärst, hätten sie wahrscheinlich auch ein Auge zugedrückt. Werkzeuge, wie eine neue Säge, helfen schließlich der Produktion, auch weil die ja selber wissen müßten, daß zum Beispiel neue Sägen bei uns nicht allzu viel taugen, wenn du überhaupt eine kriegst.“
    Der alte Bauer saß auf der Pritsche und aus den Augen liefen ihm Tränen, die sich in den grauen, verfilzten Stoppeln auf den Wangen verfingen.
    Nach drei Tagen wurde er gleich früh geholt. „Haare schneiden, rasieren und umziehen“, sagte der Schließer, als er ihn mitnahm. Sebastian sah ihn nicht wieder.
    Tage vergingen, dann wurde auch Sebastian geholt, diesmal von einem älteren Schließer, den er bisher seltener zu Gesicht bekommen hatte.
    Als der ihn aufforderte: „Kommen Sie!“ war Sebastian ein wenig verwundert, denn eigentlich, meinte er, seien die Verhöre doch beendet. Was wollten die jetzt noch von ihm? Konnte da wieder was aufgetaucht sein? Dieser Schließer war ja nie so kalt und zackig, so feindlich aufgetreten wie manche der jüngeren. Bei einigen glaubte er etwas wie

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