Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
mich zu machen.“
„Das alles wundert mich nicht“, sagte Sebastian, „im Gegenteil, es bestätigt meine Ansichten nur. Aber du“, fragte er, „wie soll’ s weitergehen, was willst du machen?
„Ach, weißt du“, erklärte Totila, „ich brauch’ die nicht mit ihrer ganzen Schule. Ich brauche lediglich etwas länger bis zum Abschluß, wenn ich nach Hermannswerder gehe.“
„Wo ist denn das?“
„In Potsdam. Kirchliches Oberseminar nennt sich das. Ich muß dort in die Grecca. Das ist eine Klassenstufe nach der Latina, der Eingangsstufe. Danach kommt die Hebräeca und die Abschlußklasse ist dann die Philosophica. Das sind nun mal drei Jahre“, sagte er den Kopf wiegend, „statt des einen in Senftenberg. Ich muß dann aber leider auch dreimal so viel bimsen. Dazu sah er Sebastian an und lachte. „Ich weiß, was die dort verlangen.“
„Das ist immerhin eine tolle Chance“, warf Sebastian ein. „Du hättest ja auch gleich dahin gehen können.“
Totila hielt die Hände abwehrend vor sich. „Das ist schon mit vielen Umständen verbunden“, erklärte er. „Und dann muß ich dort ins Internat. Also wirklich, ich bin kein Freund von Internaten, welcher Art auch immer. Mein Vater wird davon nicht begeistert sein mich in Potsdam zu wissen. Und überhaupt, ich wollte ja eigentlich nie Pfarrer werden.“
„War’s nicht was Technisches“, fragte Sebastian, „wenn ich mich richtig erinnere?“
Totila nickte. „Elektro“, sagte er.
„Ach ja, Elektroingenieur.“
„Genau“, bestätigte Totila. „Aber dazu brauche ich nicht Altgriechisch, Hebräisch, nicht mal Latein.“
„Doch damit könntest Du trotzdem Elektrotechnik studieren.“
„Ja, schon. Aber alle dort in Hermannswerder werden nun mal Pfarrer. Die Kirche hat da sowas wie ein Mitspracherecht. Und meine Mutter wollte auch immer, daß ich Pfarrer werde.“
„Was wird denn dein Vater sagen?“
Totila lachte kurz auf. „Na, daß ich nicht unbedingt auch noch Pfarrer werden müßte, da ja schon sein Großvater und sein Vater die Seelen ihrer Gemeindeschäfchen gehütet haben.“
„Na, dann ist ja noch längst nicht alles entschieden“, sagte Sebastian. „Aber weil wir ja hier in freier Natur so ganz unter uns sind, erzähle ich dir mal was. Ich hab’ auf dem ganzen Weg hierher überlegt, ob ich mit dir darüber rede oder nicht. Ich hab’ vor Wochen schon mal daran gedacht. In der politischen Einstellung unterscheiden wir uns, glaube ich, nicht allzu sehr.“
Totila sah den Freund neben sich auf dem Baumstamm etwas skeptisch von der Seite an. „Mach’s nicht so spannend. Du schreibst Flugblätter“, meinte er grinsend.
Sebastian winkte ab. „Viel schlimmer. Das mit den Flugblättern war früher mal. Nein, jetzt geht’s um was anderes, mit Widerstand hat’s allerdings schon zu tun, mit Flugblättern auch, aber mehr am Rande. Jetzt mal ganz persönlich: Du bist aus der Schule geflogen, ich gar nicht erst reingekommen. Beide Male sind’s politische Gründe und durchaus nicht zufällige. Schon hier stellt sich die Frage, läßt man sich sowas klaglos gefallen? Wem erzähle ich das“, Sebastian winkte ab. „Du hast’s ja eben selbst erfahren, bist als Popensöhnchen nun mal kein Freund des Volkes“, sagte er grinsend. „Du mußt in die Produktion wie ich. Wie wär’s denn mit Bergarbeiterlehrling? Ist doch auch was Grundsolides.“
„Erzähl’ nicht so’n Quatsch“, erwiderte Totila. „Sag lieber, was du sagen willst. Ich kann mir’s fast schon denken.“
Sebastian sah ihn an. „Was kannst du dir denken?“
„Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“, sagte Totila, „die KgU eben.“
„Nee, Gehlen“, sagte Sebastian.
„Was ist denn das?“
„Eine Organisation“, erklärte Sebastian, „der offizielle westdeutsche Nachrichtendienst. Den gibt’s erst rund drei Jahre.“
Totila starrte ihn an und schüttelte den Kopf. „Und da machst du mit?“
„Ja, klar. Hans-Peter auch.“
„Hm …“ Totila sah vor sich hin und überlegte eine Zeitlang. „Steckt aber auch wieder ein Staat dahinter“, meinte er schließlich.
„Ja, sicher. Was hast du dagegen?“
„Da wird man doch auch wieder nur reglementiert.“
„Ich weiß schon“, Sebastian winkte ab. „Das ist dir alles nicht edel genug. Dir ist wahrscheinlich so’n einsamer Märtyrer lieber, der heimlich Flugblätter schreibt und sie dann nachts selber an die Wände kleistert. Man beruhigt damit doch nur das eigene Gewissen.“
„Ist denn das
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