Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
würden doch aber alle machen, auch die Amis“, warf Totila ein.
„Schon, aber du weißt doch selbst, hier wird nicht nur jeder Mensch überwacht, auch jede Schraube wird bewacht. Kannst du vielleicht tun, was du willst? Natürlich kannst du, aber eben nur minimal, etwa wenn du auf’s Klo gehst.“
Totila grinste. „Im Prinzip kann ich dir nicht widersprechen.“
Sebastian nickte. „Denk doch bloß mal, wie sie mit dir umgesprungen sind wegen der Jungen Gemeinde. Da hast du’s doch! Kunzmann, wo ist Ihr Vater? Hetzmaterial aus Westberlin holen ... und schon warst du weg von der Schule. Dann geben wir den Schnüfflern doch gleich wirkliche Arbeit: Holen wir Flugblätter aus Westberlin, dann sind die beschäftigt.“
„Die suchen euch garantiert schon“, sagte Totila.
„Das wissen wir ja. Nur wissen die nicht, wen sie suchen sollen.“
„Noch nicht“, sagte Totila.
Sebastian wies mit einer Handbewegung auf ihn und den vorausfahrenden Hans-Peter. „Wir müssen uns natürlich vertrauen können, sonst geht das alles nicht.“
Wieder dröhnte eine zur Landung ansetzende Maschine über sie hinweg. Man konnte das Flugzeug durch die Baumwipfel hindurch als flüchtigen dunklen Schatten erkennen.
„Wir sollten die Räder hier verstecken“, rief Hans-Peter, der sein Rad abgebremst hatte, um die beiden anderen herankommen zu lassen. Schließlich schoben sie ihre Fahrräder ein Stück in dichtes Unterholz.
„Noch zweihundert Meter durch den Wald, dann kommt das Maisfeld, dahinter der Maschendrahtzaun“, wandte Sebastian sich an Totila.
Schließlich arbeiteten sich alle drei tief geduckt durch das Maisfeld Richtung Einzäunung voran. Ein russischer Posten war am Zaun, soweit sie sehen konnten, nicht auszumachen.
„Hier sitzen wir gut“, sagte Totila.
„Es gibt dort zwei Rollbahnen, jeweils für Start und Landung“, erklärte Sebastian.
Und wie zur Bestätigung ertönte wieder das anschwellende Pfeifen und das Dröhnen des Motors. Wenige Minuten danach hob eine Maschine ab, genau über die drei im Maisfeld Hockenden hinweg. Totila drückte den Auslöser beim Abheben des Flugzeugs und, auf dem Rücken liegend, kurz danach ein zweites Mal.
„Keine Hoheitszeichen“, bemerkte Sebastian.
„Stimmt“, bestätigte Hans-Peter, „nur ein paar Zahlen, glaube ich, jedenfalls keine roten Sterne.“
„Ist ja interessant“, und Sebastian schüttelte den Kopf. „Die machen hier, was sie wollen, anonyme Maschinen …“
„Was soll’s“, erklärte Totila lachend. „Die sind ja unter sich, wozu dann Hoheitszeichen?“
„Die Sache ist jedenfalls nicht astrein“, sagte Sebastian.
„Was ist hier schon astrein“, fragte Totila.
„Du hast recht,“ bestätigte Sebastian. „Aber die Einschätzung kann nicht unsere Sache sein.“
Schließlich beendeten sie den Einsatz und suchten ihre Räder auf.
„Die haben da gebaut“, bemerkte Hans-Peter auf dem Rückweg.
„Stimmt, habe ich auch gesehen“, bestätigte Totila, „sowas wie Unterstände für Flugzeuge.“
„Wahrscheinlich zur Splitterabwehr bei Bombenangriffen“, mischte Sebastian sich ein.
„Klar, Splitterfang, eindeutig!“ meinte auch Hans-Peter. „Das ist ja nicht uninteressant. Mal sehen, was Hoffmann dazu sagt.“
„Ich hab’ auch gesehen, daß man da massenweise Bäume gefällt hat.“
Sebastian nickte Totila zu: „Rollbahnerweiterung, die reicht dann bis in den Wald, da wird bestimmt noch mehr gefällt.“
„Es wird also mächtig ausgebaut“, stellte Hans-Peter fest, als sie nebeneinander her im Schatten hoher Ahornbäume fuhren.
Auf dem weiten Boden des großen Pfarrhauses gab es eine Kammer mit schrägem Dachfenster, das Totila mit einer Decke verhängt hatte. „Meine Dunkelkammer“, erklärte er. Und dort wurde dann auch der nicht ganz abgeknipste Film auf Fotopapier zum Leben erweckt. „Toll! Enorm!“ stellten sie fest, als die russischen Düsenbomber im Entwicklerbad ganz deutlich und vergrößert auf dem Papier zum Vorschein kamen.
„Sauber“, sagte Sebastian. „So deutlich hatte ich mir das gar nicht vorgestellt bei dieser Vergrößerung. Was war denn das für’n Film?“ Dazu sah er Totila an. Der zuckte die Schultern. „Ganz normaler Orwo-Film.“
„Nicht schlecht für’n Ostfilm“, meinte auch Hans-Peter und alle drei sahen sich die Bilder dann bei Tageslicht an.
„Das Negativ nehmen wir aber auch mit nach Berlin.“
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