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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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neu inszenierten Feten in dem Extrazimmer. Die ganze Nacht lang plärrte die Musik; Taxen kamen an und entluden einen nach dem anderen: Fief und seine Cousins aus Yonkers, Leute aus Bedford Park, Jamie, Mundo und noch viele mehr. Sam ging zwischen den Zimmern hin und her und tat ihr Bestes, um mir ein wenig Gesellschaft zu leisten. Mein Fernbleiben von diesen Partys war eine Art Protest. Ich zog mich zurück und verfasste in Gedanken einen Brief, den ich Carlos schreiben würde. Ich würde ihm sagen, dass ich hinter sein Geheimnis gekommen sei, und wenn er weiterhin Drogen nehmen wolle, könne ich nicht länger seine Freundin sein.
    Ich sah uns vor mir, wenn er nicht aufhören würde: Wir würden in der Bronx wohnen, eine Schulabbrecherin und ein Kokser. Wir waren genau einen Schritt weit entfernt von Mas und Daddys Leben. Worin lag denn der Unterschied? Nutten hatte uns der Motelmanager genannt. Vielleicht konnte man eine Prostituierte sein, ohne es zu wissen, dachte ich. Vielleicht reichte es schon, wenn man sich selbst bloßstellte, um irgendeinen Vorteil zu ergattern. Ich hatte meine Abhängigkeit von Carlos so satt, genau wie unsere kranke Art zu leben.
    Beim Entwerfen verschiedener Fassungen meines Briefes schlief ich ein, den Block aufgeschlagen in meinem Schoß.

    Lieber Carlos,
wir sind an einer Wegkreuzung angekommen …
    Am nächsten Morgen wachte ich vor Sam und Carlos von einem Gehämmere auf. Jemand schlug mit der Faust gegen unsere Tür, die Kette rasselte, und eine Männerstimme schrie auf der anderen Seite der Tür herum. Die beiden schliefen einfach weiter. Immer noch benebelt vom Schlaf, öffnete ich die Tür. Der Kerl war Mitte zwanzig und hielt die Faust erhoben, um gleich wieder loszulegen. Endlich kam Sam hinter mir zum Vorschein. Wir hatten die Abreisezeit verschlafen.
    »Wenn ihr das Zimmer weiter belegt, brauche ich das Geld von heute«, sagt er. »Wenn nicht, wartet das Zimmermädchen zum Saubermachen.« Er verschränkte die Arme vor seiner Brust. Die Kälte machte aus meinen Füßen Eisklötze.
    »Klar«, sagte ich, »einen Moment mal.« Carlos setzte sich hin und hob eine Hand, um seine Augen vor dem Sonnenlicht, das von der Tür her in das dunkle Zimmer fiel, abzuschirmen.
    Ich kniete mich neben das Bett und begann, Carlos’ Jeans nach Geld zu durchsuchen. Ich zählte drei Zwanziger in die offene Hand des Mannes.
    »Das nächste Mal, Leute, kommt ihr zu uns. Oder geht wenigstens an euer verdammtes Telefon«, rief er beim Weggehen und verschwand im Treppenhaus.
    »Ich hab’s noch nicht mal klingeln gehört«, sagte ich zu Sam.
    »Ich auch nicht.« Ich saß auf dem Bett und untersuchte das Telefon. Der Hörer hatte nicht richtig auf der Gabel gelegen. Das konnte schon seit Tagen der Fall sein, da wir es selten benutzten.
    »Ich glaube, es ist wieder so weit«, sagte er und deutete auf seinen Bauch. Er hatte gute Laune.
    »Wann bist du ins Bett gegangen, Sam?« Es überraschte mich, dass ich ihr Heimkommen nicht bemerkt hatte, vor allem weil sie sich neben mich ins Bett gelegt hatte. Carlos stand auf und klappte die riesige Speisekarte eines Chinesen auf.

    »Lasst uns was essen, ihr Dummköpfe.« Er schlug mit der Karte auf meine nackten Beine.
    »Was bestellen wir uns?«, fragte Sam und ließ meine Frage außer Acht.
    Ich war zu müde und zu hungrig, um an den Brief zu denken, den ich Carlos geschrieben hatte. Ich war auch zu verwirrt. Es war einfacher, sich auf die dringendsten Bedürfnisse zu konzentrieren: Essen.
    Wir steckten die Köpfe auf seinem Bett zusammen und vertieften uns in das Essensangebot, als das Telefon klingelte. Wir sahen uns sofort an. Niemand rief uns auf diesem Apparat an. Ich hatte Bobby die Nummer gegeben, damit er sie in einem extremen Notfall an Lisa weiterreichen könnte. Sam stand auf. Ihr Gesicht war angespannt, als sie dranging, dann reichte sie mir den Hörer.
    »Liz, für dich. Lisa.«
    »Hallo?«, sagte ich zögernd.
    »Liz, ich bin’s. Warum gehst du nicht ans Telefon?« Aber bevor ich etwas darauf erwidern konnte, redete sie schon weiter. Ihre Stimme war weinerlich, panisch, als sie einen Wirrwarr aus furchtbaren Wörtern vor sich hinnuschelte.
    »Was?« Meine Knie knickten ein. Ich weiß nicht mehr, wie ich auf dem Bett gelandet bin.
    Lisa schluchzte und redete wieder mit ihrer Kinderstimme, als sie die Nachricht wiederholte.
    »Ich bin in fünfzehn Minuten da«, sagte ich und legte den Hörer wieder auf die Gabel.
    »Liz, was ist passiert?«,

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