Als die erste Atombombe fiel
ich ab September die Grundschule in Noboricho, die zwischen Schloss und Hauptbahnhof liegt.
Jedes Mal, wenn ich ein großes Flugzeug am Himmel sehe, erinnert es mich an den Tag. Jedes Mal, wenn ich über die Aioi-Brücke gehe, denke ich, welche furchtbare Kraft eine Atombombe haben muss.
In der Zeitung hat gestanden, dass die Amerikaner eine Wasserstoffbombe gebaut haben, und als ich meine Mutter danach fragte, sagte sie, dass eine Wasserstoffbombe noch viel stärker sei als eine Atombombe. Ich war richtig erschrocken. Wenn ich erwachsen bin, möchte ich allen Kriegen ein Ende machen. Sogar jetzt kämpfen Menschen schon wieder in Korea, und viele Flugzeuge bringen Bomben dorthin. Die Koreaner tun mir Leid.
Nicht zu Ende gelesen
Daiji Nakamura gehört zu den ehemaligen »Kindern von Hiroshima«, mit denen ich im Februar 1982 in Hiroshima gesprochen habe. 11
Er ist verheiratet, hat drei Kinder und verdient seinen Lebensunterhalt als Ingenieur einer Firma, die Brücken baut. Das Buch Genbaku no Ko , »Die Kinder der Atombombe«, hat er bis heute nicht zu Ende gelesen, obwohl er selber dafür als Kind den vorhergehenden Bericht schrieb. Das könne er nicht schaffen, sagte Nakamura; jedes Mal, wenn er damit anfange, kämen jene schrecklichen Erinnerungen wieder über ihn, und dann müsse er es zur Seite legen.
Nakamura brauchte viele Jahre, bis er überhaupt mit jemandem über seine Kindheitserlebnisse in Hiroshima sprechen konnte. Die Bemühungen einzelner Parteien und Gruppen in Japan, Hiroshima zu einem Friedenszentrum und zum Mittelpunkt einer Bewegung gegen Krieg und Rüstung zu machen, lehnte er zunächst ab. Erst später sei ihm bewusst geworden, wie wichtig und unerlässlich die Beschäftigung mit Hiroshima sei. Der Ingenieur nennt dafür ein Beispiel: In Hiroshima fand Anfang 1982 eine Konferenz der japanischen Lehrergewerkschaft statt, sie befasste sich mit dem Thema Hiroshima und die Friedenserziehung in den Schulen. Viele Leute in der Stadt hätten ohne Kenntnis der jüngsten Geschichte von Hiroshima gefragt, wieso eine solche Tagung gerade in Hiroshima stattfinden müsse. Nakamura: »Da wurde mir klar, dass wir schon dabei sind, unsere eigenen Erfahrungen zu verdrängen und zu vergessen.«
11 Näheres über meine Reise nach Hiroshima und die Gespräche, die ich dort geführt habe, siehe S. 175.
Mein Bruder sah aus wie eine Buddhafigur
Shigehiro Naito
Schüler der 6. Klasse, damals sechs Jahre alt
Am Morgen des 6. August saß ich mit meiner Mutter und meiner kleinen Schwester Naoko beim Frühstück. Es war Sommer, darum aßen wir im vorderen Zimmer. Mein großer Bruder war schon fertig mit dem Frühstück und zur Uferböschung des Flusses in der Nähe von uns gegangen. Er konnte Flugzeuge schon am Geräusch ihrer Motoren unterscheiden. Wir hörten eine B-29. Plötzlich war da ein Blitz und dann ein riesiger Knall. Wir wurden alle drei, meine Mutter, meine Schwester und ich, zu Boden geworfen. Nach etwa fünf Minuten kam ich wieder zu mir. Mutter und ich waren voller Blut. Die Küche war halb eingestürzt. Mutter hatte Angst. Sie nahm meine Hand und zog mich zur Haustür. Die Tür war zum Teil versperrt, aber ich konnte den zerstörten Zaun draußen sehen. Wir rannten hinaus. Alle Häuser um uns herum waren schwer beschädigt. Wir versuchten auf die Straße zu kommen, die an der Uferböschung entlangführte, aber die Mauern am Rande der Straße waren eingestürzt. Mutter bat jemanden, uns zu helfen hindurchzukommen. Dann fanden wir meinen Bruder weinend auf der Böschung. Er war verletzt und hatte Angst. Ich lief zu ihm. Er sah aus, als ob alles in Ordnung wäre, aber er muss Verbrennungen gehabt haben. Ich blickte zum Fluss. Auf dem Wasser trieben Leichen.
»Ich hole Wasser, damit ihr euch waschen könnt«, sagte mein Bruder und holte Wasser aus der zerstörten Küche. Mutter und ich wuschen uns Gesicht und Hände. Mein Bruder hatte überall Brandwunden.
Am frühen Nachmittag kam Vater aus der Schule, wo er unterrichtete, nach Hause. Er war verletzt. Die Schule stand direkt hinter dem Gaswerk. Er sagte, dass er irgendwie eingeklemmt gewesen sei, aber jemand habe sein Rufen gehört und ihm herausgeholfen. Einer unserer Nachbarn hatte auf dem Rücken auch Verbrennungen. Er und mein Bruder gingen ins Krankenhaus, um ihre Wunden mit Öl behandeln zu lassen. In der Nacht schwoll mein Bruder furchtbar an. Er sah aus wie eine Buddhafigur aus Bronze.
Mutter und Vater wachten Tag für Tag bei ihm, aber
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