Als die erste Atombombe fiel
hatte.
Als sie zwei Tage später vor Tagesanbruch wie üblich gerade ihr Mittagessen fertig machte und sich auf den Weg nach Hiroshima machen wollte, kehrte mein Bruder, der die Oberschule in Hiroshima besuchte, aus Kudamatsu, einer Hafenstadt 50 Kilometer südwestlich von Hiroshima, zurück, wo er im Arbeitsdienst gewesen war. Er fuhr mit ihr nach Hiroshima.
Drei Leute mit Verbrennungen kamen zu den Toshis, unseren Nachbarn, und fünf Leute kamen zu uns. Ihre Gesichter waren durch die Verbrennungen so entstellt, dass sie wie Ungeheuer aussahen, und es schaudert mich noch jetzt, wenn ich an sie denke. Ich sorgte für sie, so gut ich konnte. Jedes Mal, wenn ich einen von ihnen sah, erfüllte mich Traurigkeit, weil ich wusste, dass es meinem Vater und meiner Schwester irgendwo ebenso gehen mochte.
Meine Mutter und mein Bruder kehrten Tag für Tag spät und erschöpft nach Hause zurück. Von meiner Mutter erfuhr ich, dass von den 600 Mittelschülerinnen, die dort im Arbeitsdienst Räumungsarbeiten gemacht hatten, 593 ums Leben gekommen waren und nur sieben überlebt hatten und diese sieben innerhalb einer Woche auch gestorben waren. Die Aufsicht führenden Lehrerinnen waren mit ihren Schülerinnen zusammen auf der Stelle tot gewesen. Viele Schülerinnen hatten versucht zu entkommen, indem sie in den Fluss sprangen, aber ihre Verbrennungen waren zu schlimm gewesen, und sie starben. Die Gesichter dieser toten Schülerinnen, die den Fluss hinuntertrieben, waren braun verbrannt und ihre Uniformen 9 bestanden nur noch aus Fetzen. Man konnte sie nicht voneinander unterscheiden. Meine Schwester war wahrscheinlich eine von ihnen.
Einen Lehrer und vier Schüler fand man tot in einem großen Wasserbehälter vor dem Seigan-Tempel. Der Lehrer hatte sich über die Schüler geworfen, um sie mit seinem Körper zu schützen. Je mehr ich hörte, umso trauriger wurde ich.
Meine Mutter wurde so müde, dass sie nicht mehr reden konnte. Sie konnte nur noch weinen. Wir begannen uns vorzustellen, dass unser Vater vielleicht wirklich tot war, und jedes Mal, wenn wir das taten, mussten wir weinen.
Tage wurden zu Monaten und unsere Traurigkeit kehrte immer wieder zurück. Es wurde Zeit für mich, zur Schule zu gehen. Mutter musste mich jeden Tag von unserem Haus draußen in Furuichi zur Grundschule von Senda in Hiroshima bringen.
Wir begannen im April ein neues Haus zu bauen, dort, wo unser altes gestanden hatte. Mein Bruder und ich zogen vom Land dorthin, bevor es fertig war. Wir hatten Tatami -Matten anstelle von Türen, und wir schliefen auf nur drei Matten in einem Sechsmattenzimmer. 10
(Abb. 8)
9 An den meisten japanischen Schulen ist die einheitliche Schulkleidung auch heute noch vorgeschrieben.
10 Das traditionelle japanische Wohnhaus ist mit Tatami ausgelegt, das sind aus gepresstem Reisstroh hergestellte Matten mit einer Normgröße von 1,80 Meter mal 0,90 Meter. Nach der Tatami -Einheit werden Wohnräume und Wohngebäude bemessen.
Wenn ich erwachsen bin …
Daiji Nakamura
Schüler der 6. Klasse, damals fünf Jahre alt
Ich war gerade auf der Toilette im Kindergarten, als ich ein Flugzeug hörte. Ich fand Flugzeuge etwas ganz Tolles, so lief ich aus der Toilette und rannte die Treppe rauf. Da blitzte es. Ich fürchtete mich, darum legte ich mich auf den Bauch, und an mehr kann ich mich nicht erinnern. Als ich wieder aufwachte, hielt meine Mutter mich in den Armen, und wir waren in einem Luftschutzunterstand.
Vater brachte uns auf seinem Fahrrad Steppdecken. Er brachte auch Geld und einige Medikamente mit. Als alles wieder ruhig war, sagte Vater: »Hier ist es nicht sicher. Wir müssen hier raus.«
Wir rannten los, aber mein Fuß fing an mir wehzutun. Wir sahen uns meinen Fuß von unten an und entdeckten eine Schnittwunde an der mittleren Zehe. Mutter machte mir einen Verband und setzte mich auf das Fahrrad. Aber dann kamen wir an einen Hügel und ich musste wieder gehen. Wir folgten anderen Leuten und kamen nach Kawauchi, einem Vorort von Hiroshima. Wir übernachteten bei irgendjemandem und dann baten wir die Leute, auf unser Bettzeug und ein paar andere Dinge aufzupassen, und gingen nach Yoshida-machi, einer Stadt 40 Kilometer nördlich von Hiroshima. Ein paar Tage später kamen wir zurück nach Kawauchi und noch ein paar Tage später gingen wir wieder zurück nach Hiroshima. Alles war bis auf den Grund abgebrannt. Als es mir wieder besser ging, kam ich zur Grundschule, und als ich ein Zweitklässler war, besuchte
Weitere Kostenlose Bücher