Als die Roemer frech geworden
römischer Seite machte. Stattdessen wird er zum Paten der anstehenden „Rache, da wir
drängen den Todfeind weit zurück von Saar und Rhein“. 13 Römische Traditionen, die gerade in Westdeutschland immer noch positiv bewertet wurden, fielen unter diesem „Druck“ durch.
Die Zäsur durch das Ende des Krieges 1945 hatte in der Forschung, aber auch in der populären Rezeption zunächst kaum Konsequenzen, |125| wenn man von der „Salonfähigkeit“ völkischer Interpretationen absieht. Vielmehr herrschte ein starker Kontinuitätsstrang in
der Bewertung der Varuskatastrophe und der Leistung des Arminius „als Befreier Germaniens aus vaterländischer Verpflichtung“
gerade in den 50er- und 60er-Jahren vor. 14
Aber auch in anderer Hinsicht setzten sich die Bemühungen nahtlos fort, Arminius und die „Varusschlacht“ für sich und die
eigene Region in Beschlag zu nehmen: Der Untergang der ganzen niedergermanischen Armee – drei römische Legionen, drei Reiterale
und sechs Auxiliarkohorten – und der siegreiche Kampf westgermanischer Stämme machte die „Schlacht im Teutoburger Wald“ seit
der Wiederentdeckung der Werke des Tacitus, vor allem der
Germania
und der
Annalen
, seit dem Humanismus nicht nur zu einer Frage des nationalen, sondern vor allem auch des „lokalpatriotischen“ Prestiges.
Seither hat es ca. 700 Lokalisierungen gegeben, die Harald von Petrikovits in den 1960er-Jahren zu größeren Theoriekomplexen
zusammengefasst 15 und Winkelmann mitsamt der 44 wahrscheinlichsten Einzelthesen im Gebiet des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe kartiert
hat. 16
700 Lokalisierungen, 44 Thesen, vier Theorien – und kein Ausweg
Demnach kann man „geographisch gesehen [...] vier Gruppen von Lokalisierungstheorien [...] unterscheiden:
die Nordtheorie, die den Schlachtort am Nordrand des Wiehen- und Wesergebirges oder in dessen ebenem Vorland sucht,
die Lippesche Theorie, die den Schlachtort im Teutoburger Wald oder zwischen Teutoburger Wald und Weser annimmt,
die Münsterländer Theorie, die die Niederlage westlich (südwestlich) des Teutoburger Waldes ansetzt, und
die Südtheorie, die sie in dem Bergland vermutet, das die Münsterländer Bucht im Süden begleitet.“ (von Petrikovits)
Seit Melanchthon den südlich des Wiehengebirges verlaufenden Osning-Höhenzug, der am südlich heranstoßenden Eggekamm mit einem |126| Verlauf nach WNW ansetzt, dem Teutoburger Wald in den Annalen des Tacitus zugeordnet hat, war die Lippesche Theorie die am
meisten favorisierte. Nach dieser fand Varus, der vom Sommerlager an der Weser nordwestlich entlang des Höhenzugs marschierte,
in der Nähe von Detmold sein Ende. Bei Detmold, im Areal einer Fluchtburganlage, der Groteburg (in deren Mauern eine Pilumspitze
gefunden wurde), wurde im Vormärz daher auch das Hermannsdenkmal vorbereitet und bis 1875 errichtet.
Die „Rechtmäßigkeit“ der sicherlich populärsten geographischen Zuordnung der Varuskatastrophe haben die äußerst ergiebigen
Ausgrabungen im Osnabrücker Raum am nordwestlichen Ausläufer des Wiehengebirges bei Kalkriese erschüttert. 17
Ein Major, sein Metalldetektor und drei Schleuderbleie
Die Initialzündung zu dieser systematischen Untersuchung des Engpasses am nördlichen Vorsprung des Kalkrieser Berges hat auf
Hinweis des Kreisarchäologen W. Schlüter der britische Major J. A. S. Clunn 18 gegeben. Der machte im Jahr 1987 mit seinem Metalldetektor im Bereich des Engpasses einen „Hortfund“ von 162 Denaren. Eine
systematische Untersuchung wurde jedoch erst eingeleitet, als Clunn im Jahr 1988 durch den Fund von drei Schleuderbleien zumindest
die zeitweilige Anwesenheit römischer Truppen am Ort eindeutig belegen konnte.
Clunn forschte auf der Grundlage einer guten Kenntnis der Untersuchungen Theodor Mommsens, der die Varuskatastrophe bei der
Grafschaft Barenaue (= Bauernschaft Kalkriese) lokalisierte. Unter den vielen Lokalisierungsversuchen ist diejenige Mommsens
deshalb besonders hervorzuheben, weil dieser methodisch korrekt nicht anhand der unterschiedlich interpretierbaren literarischen
Quellen den Schlachtort suchte, sondern einen besonders merkwürdigen Bodenbefund deuten wollte. 19
Es handelte sich um eine Fundmünzsammlung im Besitz des |127| Grafen von Bar. 1884 hatte der Numismatiker Menadier – im Auftrag Mommsens – diese Sammlung untersucht und für den Großteil
der Münzen das Enddatum 9 n. Chr. ermittelt. 20 Mommsen
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