Als die Roemer frech geworden
beschrieben,
Das ist der klassische Morast,
Wo Varus steckengeblieben.
Hier schlug ihn der Cheruskerfürst,
Der Hermann, der edle Recke;
Die deutsche Nationalität,
Die siegte in diesem Drecke.
Wenn Hermann nicht die Schlacht gewann
Mit seinen blonden Horden,
So gäb’ es die deutsche Freiheit nicht mehr,
Wir wären römisch geworden!
[...]
O Hermann, dir verdanken wir das!
Drum wird dir, wie sich gebühret,
Zu Detmold ein Monument gesetzt;
Hab’ selber subskribieret.
Nach 1871 war derartiger Spott nicht mehr angesagt: Nach der glücklichen Vollendung des Denkmals mit der nach Westen drohenden
Hermann-Statue dichtete darum von Scheffel, 1876 geadelt, die 13. Strophe um, die jetzt lautete: „Und zu Ehren der Geschichte
/ Tat ein Denkmal man errichten, / Deutschlands Kraft und Einigkeit / Verkündet es jetzt weit und breit: /,Mögen sie nur kommen!‘“ 7
Arminius und die Studienräte
Dies blieb die Hauptstoßrichtung aller Arminiusverehrung der folgenden Jahrzehnte, auch nach der Niederlage des Deutschen
Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg. Arminius blieb ein Lieblingskind der Studienräte. |122| Seine Verehrung konnte die konservativen Ursprünge der antinapoleonischen Freiheitskriege aber nie verleugnen, sodass die
Instrumentalisierung durch die Nazi-Ideologie nicht reibungslos war. Angebote, die nur zu gern aufgegriffen wurden, boten
gleichwohl auch nationalistische Interpretationen, wie etwa die aus der Feder des Gymnasiallehrers Gottlob Engelhaaf (1848–1934)
anlässlich der 1900-Jahrfeier der Katastrophe:
Er [Arminius] war noch mehr: Wenn man an das Schicksal Galliens und Spaniens, an die durchgängige Widerstandsunfähigkeit jugendlicher
Völker gegen höhere Kulturstufen denkt, so ist kein Zweifel: Indem Arminius das römische Heer vernichtet, hat er unsre Nationalität
gerettet. Daß wir noch Deutsche sind, verdanken wir ihm. 8
Distanziertere Bemerkungen – wie die des Provinzarchäologen Friedrich Koepp (1860–1944), der den „Beitrag“ des „deutschen
Urwaldes“ betonte, der „die Deutschen vor dem Schicksal der Gallier bewahrt“ hatte – gingen gegenüber der vorherrschenden
Tendenz unter. 9 Auf diesem Niveau fehlte nicht mehr viel, um die auf die Spitze getriebene „Römer-Germanen-Antithese“ auf die für die Zeit
typische antisemitische Perspektive auszudehnen. 10
Arminius und das „dynamische Germanentum“
Die Arminius-Verehrung war zwar Teil der Germanenideologie des Nationalsozialismus in Deutschland, doch nie der prominenteste.
Unter dem Eindruck der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichkanzler, die später von den Nationalsozialisten als „Machtergreifung“
stilisiert worden ist, drängte sich einem Zeitgenossen jedoch folgender Vergleich auf:
Das gewaltige Erleben der jüngsten Vergangenheit, das [...] sich um die Gestalt des Führers Adolf Hitler drängt, der das deutsche
Volk |124| zusammenschweißte und vom Abgrund des Verderbens zurückriss, findet in der Einigung der germanischen Stämme unter Arminius
gewiss einen Stoff, in dem es sich lösen kann. 11
Den NS-Ideologen und dem Verfechter des dynamischen Germanentums, Heinrich Himmler, musste der Fahneneidbrüchige Arminius
als Befehlshaber von römischen Auxilien und aufständischen Germanen gegen römische Elitesoldaten suspekt sein, gerade als
man im Zuge der Besetzung Dänemarks und Norwegens eine „großgermanische Politik“ verfolgte. Hitler selbst scheute die Gleichsetzung,
weil sie ihn und sein Reich gegen das seines „Vorbildes“ Mussolini allzu sehr zurückgesetzt hätte.
1918 – eine Zäsur in der Arminius-Rezeption
Einen wichtigen Einbruch erlebte die Arminius-Rezeption daher auch weniger durch die Kapitulation Deutschlands 1945 als vielmehr
bereits durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg. „Der große gefühlsmäßige Schwung“ der Arminius-Rezeption war schon 1918
einer resignierenden Sicht gewichen, die seither die Bewertungen bis weit in die Nachkriegszeit bestimmte. 12 Diejenigen, die als Volksvertreter der sogenannten Weimarer Republik die Fehler der politischen und militärischen Führung
während des Ersten Weltkrieges im Versailler Vertrag zu akzeptieren hatten, wurden als Kollaborateure und Erfüllungsgehilfen,
darin vergleichbar mit Flavus und Segestes, gebrandmarkt. Dieser Vorwurf verschloss sich der Tatsache, dass auch Arminius
seine „Karriere“ am erfolgreichsten auf
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