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Als die Roemer frech geworden

Titel: Als die Roemer frech geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Dreyer
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brachte daraufhin die Funde mit der Varusniederlage in Verbindung. Die Barenau-These Mommsens konnte sich jedoch
     nicht durchsetzen, da keine Militaria und nur relativ wenige Kupfermünzen aufgetaucht waren, die als Handgeld der Soldaten
     bei einer Katastrophe solchen Ausmaßes zu erwarten gewesen wären. Gerade Beanstandungen dieser Art haben sich seit den Funden
     Major Clunns bei Kalkriese als haltlos erwiesen.
    Nach Schlüter stellt sich die geographische Situation folgendermaßen dar (siehe dazu auch die Abb. auf S. 60): 21
    Die Kalkrieser-Niewedder-Senke ist ein etwa 6 km langer und an der schmalsten Stelle rund 1 km breiter Engpaß zwischen dem
     Großen Moor im Norden und dem Kalkrieser Berg, der dem Wiehengebirge nördlich vorgelagert ist, im Süden [...]. Sie liegt etwa
     110 m unterhalb der Hochfläche der Anhöhe. Nach Osten öffnet sich der Paß zu einem großen Trichter, der im Norden durch einen
     breiten Moorgürtel und im Süden durch das Wiehengebirge begrenzt wird [...]. Relativ trocken war die Kalkriese-Niewedder-Senke
     bis weit in die Neuzeit hinein wegen des hohen Grundwasserspiegels nur an ihren Rändern, und zwar im Bereich der Flugsandrücken,
     die die Talsande am Saum des Moores bedecken, sowie im Bereich der Hangsande am Fuß des Kalkrieser Berges. Beide Zonen sind
     durchschnittlich 200 m breit. Allerdings waren und sind die Säume der Hangsandzone sehr feucht, nämlich staunaß zum Kalkrieser
     Berg hin und stark grundwasserbeeinflußt zu der Mitte der Senke hin, so daß lediglich ein durchschnittlich 100 m breiter Streifen
     dieser Sandablagerungen als trocken angesehen werden kann.
     
    |128| Das Schlachtfeld bei Kalkriese – eine archäologische Sensation
     
    Bei den Grabungen auf der Hangsandzone, besonders im Bereich des sogenannten Oberesch, aber auch im gesamten Engpassbereich,
     sind neben Militaria auch Münzen und Gegenstände des militärischen Lebens römischer Legionäre im weitesten Sinne aufgetaucht,
     z. T. mit Plünderungsspuren.
    Aus den Militaria-Funden wird nicht nur deutlich, dass im Engpass des Kalkrieser Berges römische Soldaten kämpften und den
     Kampfplatz offenkundig nicht behaupten konnten. Sondern es kann auch ein breit gefächertes Spektrum an spezialisierten Truppenteilen
     ausgemacht werden, die charakteristischerweise nicht die typische Ausrüstung eines
exercitus expeditus
, eines Heeres, das sich in Feindesland wähnte, mit sich führten.
    Immer häufiger werden auch die Funde von Tier- und Menschenknochen aus Gruben, die z. T. in Tübingen, z. T. in Göttingen präpariert
     werden. Inzwischen sind bereits die Knochen von 30 Maultieren und zehn Pferden, sowie einer nicht sicher bestimmbaren Anzahl
     von fast ausnahmslos männlichen Individuen gefunden worden. Angesichts der hohen Zahl an Maultieren ist der mangelnde eindeutige
     Beleg für Trosswagen im Engpass bemerkenswert. Unter den menschlichen Knochen waren auch solche, die auf die Anwesenheit von
     Frauen hinweisen. 22
    Oft tauchen insbesondere Menschenknochen, die Spuren (tödlicher) Kampfverletzungen aufweisen, im Verbund mit Militaria auf.
     Die menschlichen Knochen weisen auf Männer, die jung und gut ernährt waren. Es fanden sich jedoch keine vollständigen Skelette,
     die Knochen waren vielmehr in der Regel durcheinander in die kleinen Gruben „zusammengekehrt“ worden, nachdem sie einige Zeit,
     d. h. mehrere Vegetationsperioden, an der Oberfläche gelegen hatten. 23
    Insbesondere die Münzen geben Hinweise auf die Zeitstellung der Kämpfe im Engpass. Sie legen nahe, die Kämpfe im Engpass mit
     einer Phase der in den literarischen Quellen so eingehend geschilderten |129| Varuskatastrophe des Jahres 9 n. Chr. zu verbinden: An aurei (Goldmünzen) sind in Kalkriese und Umgebung mehr Stücke nachgewiesen
     als in der gesamten übrigen
Germania magna
zusammen. 24 Unter diesen sind diejenigen des Gaius-Lucius-Typs, die zwischen 2 v. und 1 n. Chr. geprägt worden sind, die Schlussmünzen
     in Kalkriese. Bei den ca. 700 gefundenen bzw. dokumentierten Silber-Denaren ist der Gaius-Lucius-Typ ebenfalls die Schlussmünze.
     Die Konzentration von über 150 Denaren in „Hortfunden“ bzw. „Barschaften“ spricht gegen einen auf Kampf ausgerichteten
exercitus expeditus
. 25
    Bislang sind ca. 600 Kupfermünzen zum Vorschein gekommen. Damit ist ein leichter Überhang auf der Seite der Silbermünzen festzustellen,
     im Gegensatz zu den Verhältniszahlen aller römischen Lager rechts des Rheins

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