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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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gewesen, dass er gar nicht mehr daran gedacht hatte, es ihr endgültig abzunehmen. » Was ist das für ein Beruhigungsmittel?«
    » Nur ein leichtes pflanzliches Halluzinogen. Es stärkt die Verbindung der Patienten zu ihrer Schattenwelt und ermöglicht ihnen im Schlaf eine Art unmittelbaren Kontakt mit der anderen Seite. In Maries Fall hoffe ich, so die Brücke schlagen zu können, um bei der nächsten Hypnosesitzung endgültig Zugriff auf die Feen zu bekommen.«
    Gabriel hatte den absurden Eindruck, dass Dr. Roths Worte ihn beruhigen sollten. Sie bewirkten das genaue Gegenteil. Die Verbindung zur Schattenwelt stärken– was das in Maries Zustand, mit dem Loch in ihrem Schatten, bedeuten konnte…! Ihm wurde innerlich eiskalt. Er musste nach Hause, dachte er verzweifelt. Er musste Marie daran hindern, die Medikamente zu nehmen– wenn es nicht schon zu spät war! Er sprang auf. » Ich muss gehen. Ich kann Ihnen nicht helfen.«
    Dr. Roth erhob sich ebenfalls. Sein Blick war noch immer eindringlich. » Ich meine es ernst, Gabriel. Ich könnte auch dir helfen. Ich könnte dir zeigen, wie du deinen Schatten ebenso kontrollieren kannst wie ich den Hunderthändigen. Lass dich von den Schatten nicht unterdrücken. Nutze sie!«
    Gabriel schluckte. » Nein«, sagte er fest. » Niemals. Ich werde nicht zulassen, dass Sie Marie noch einmal anrühren.«
    Aber Dr. Roth lächelte nur. » Wie du willst. Wir werden bald sehen, wem von uns beiden sie mehr vertraut, nicht wahr? Ich werde mir die Feen holen, Gabriel, dessen kannst du dir sicher sein. Du bist für meine Pläne nicht von Bedeutung, das solltest du wissen. Ich gebe dir nur die Chance, selbst einen Nutzen daraus zu ziehen.«
    Gabriel starrte den Therapeuten stumm an. Das Bedürfnis, dem Drängen seiner Bestie nachzugeben und zuzulassen, dass sie sich auf den Doktor stürzte, war inzwischen beinahe übermächtig. Er musste hier weg, und zwar sofort. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich auf dem Absatz um. Er stürzte aus dem Sprechzimmer, schlüpfte nur hastig in seine Schuhe und nahm sich nicht einmal Zeit, sie zuzubinden, ehe er draußen auf der Straße und noch etliche hundert Meter weiter gelaufen war. Innerlich war er noch immer starr vor Entsetzen, und in seinem Schatten klagte und wütete die Bestie. Dieser Besuch war schlimmer verlaufen, als er es sich je hätte ausmalen können. Er musste Marie von diesem Mann fernhalten. Er war eine Gefahr für sie. Aber würde sie ihm das glauben? Sie musste einfach, dachte Gabriel. Irgendwie musste er sie überzeugen, dass er derjenige war, der auf ihrer Seite stand. Bevor es zu spät war.

Zweiundzwanzigstes Kapitel: An deiner Seite
    Als Marie in die Wohnung zurückkehrte, hing der Zettel mit ihrer Notiz noch immer unberührt an der Staffelei. Der Raum sah genau so aus, wie sie ihn verlassen hatte. Gabriel war nicht hier gewesen. Marie atmete auf.
    Nachdenklich ließ sie ihren Blick durch das Zimmer schweifen, während sie Jacke, Mütze und Schal abstreifte. Es fiel ihr nicht ganz leicht zu entscheiden, bei welchem der vielen Bilderstapel, die Gabriels Wohnung füllten, sie ihre Suche beginnen sollte. Jeden einzelnen von ihnen durchzusehen, würde Stunden dauern, das war Marie klar. Aber sie hatte ja keine Ahnung, was genau sie eigentlich suchte, also würde sie wohl oder übel auf ihr Glück vertrauen müssen. Wahllos zog sie das Laken beiseite, das die Bilder an der Schräge gegenüber dem Sofa verdeckte. Vier Stapel mit jeweils sicherlich fünfzehn Leinwänden kamen zum Vorschein, und daneben eine Kiste voller loser Blätter. Mit klopfendem Herzen ließ sich Marie im Schneidersitz auf den Boden sinken. Ein wenig plagte sie nun doch das schlechte Gewissen. Aber ihre Neugier war inzwischen so groß, dass ein Rückzug keinesfalls mehr in Frage kam. Sie nahm das erste Bild in die Hand und drehte es um.
    Was sie sah, verschlug ihr fast den Atem.
    Sie hatte gewusst, dass Gabriel gut war. Aber auf die Lebendigkeit, die ihr aus dem Bild förmlich entgegensprang, war sie nicht vorbereitet gewesen. Auf der Leinwand war keine Szene aus der Obsidianstadt abgebildet, und auch keine Fee. Stattdessen zeigte das Gemälde eine junge Frau mit gelblich schillernder Haut und züngelnden roten Haaren. Ihre Augenhöhlen waren leer und dunkel, und aus ihrem weit aufgerissenen Mund wanden sich acht kleine Schlangen, von deren spitzen Zähnen eine giftgrüne Flüssigkeit troff. Sie sah so lebensecht aus, dass Maries Hand augenblicklich

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