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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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das bereits nicht leicht gefallen. Heute war es noch schlimmer. Seine Bestie bewegte sich und knurrte unruhig. Ihr Atem kitzelte Gabriels Hals.
    Angestrengt erwiderte er das Lächeln der Sprechstundenhilfe. » Ja, das stimmt. Ich wollte mit Dr. Roth sprechen.«
    » Ach. Das trifft sich gut, er ist gerade frei.« Die Sprechstundenhilfe strahlte ihn an. Die Schlange ließ eine dünne schwarze Zunge hervorschnellen und leckte an den Lachfältchen in ihrem Augenwinkel, während sie Gabriel und seine Bestie misstrauisch anfunkelte. » Reicht dir eine halbe Stunde?«
    Gabriel nickte schnell und bemühte sich, den Ekel zu unterdrücken, der ihn überkam. Er hoffte wirklich, dass es nicht länger dauern würde. Und gleichzeitig fühlte er sich plötzlich schrecklich nervös.
    » Prima.« Die junge Frau drückte auf einen Knopf neben der Briefablage. » Dr. Roth?«
    Die Stimme des Doktors ertönte leicht verzerrt aus dem Tischlautsprecher. » Was gibt es, Ellen?«
    » Maries Freund ist hier. Er würde Sie gern kurz sprechen.«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann hörte Gabriel ein leises Lachen, das ihn ein wenig erschreckte. Hinter dem warmen Timbre versteckte sich etwas Hartes. Etwas Bedrohliches.
    » Danke, Ellen. Schick ihn bitte sofort herein.«
    Die Sprechstundenhilfe ließ den Knopf los und nickte zufrieden. Die Schlange aber zischelte warnend. » Na siehst du. Rein mit dir. Er wartet auf dich.«
    Gabriel war erleichtert, sich endlich abwenden zu können. Manche Schattenkreaturen waren eben doch schwerer zu ertragen als andere. Wie schon am Tag zuvor stellte er seine durchnässten Schuhe auf die Matte neben dem Tresen. Dann öffnete er vorsichtig die Tür zum Sprechzimmer.
    Der Therapeut saß in seinem Sessel, eine Tasse Tee in der Hand. Als Gabriel eintrat, verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln.
    » Na so eine Überraschung.« Dr. Roth deutete auf das Sofa ihm gegenüber. » Hallo Gabriel. Setz dich doch.«
    Ein wenig zögernd kam Gabriel der Aufforderung nach. Ja, er hatte sich richtig erinnert, dachte er nach einem prüfenden Blick durch das Zimmer. Obwohl die Sonne bereits unterging, war der Raum fast unnatürlich hell und völlig frei von Schatten– bis auf den feinen, schwarzen Faden, der sich, unsichtbar für jeden außer Gabriel, wie ein dünner Rauchfetzen aus der Brust des Doktors wand und in einer Ecke des Raums verschwand.
    Für jeden außer Gabriel? Nein, korrigierte er sich. Mindestens einer musste noch davon wissen. Der Mann, dessen Finger immer wieder wie beiläufig an dem Faden zupften, ihn spielerisch zerpflückten und sich nicht daran störten, dass jedes Mal ein gequältes Stöhnen wie ein Windhauch den Rauch erzittern ließ. Ein Stöhnen, das sich in den Schatten, nach dem Winseln von Gabriels Bestie zu urteilen, wie Fingernägel auf einer Schiefertafel anhören musste.
    » Ich hätte nicht gedacht, dass du dich allein hierhertraust.« Dr. Roth musterte Gabriel mit einer Freundlichkeit, die ihm lauernd erschien. » Aber ich freue mich. Ich gestehe, ich habe seit gestern mit dem Gedanken gespielt, dich selbst zu kontaktieren.«
    » Ach wirklich?« Gabriel vergrub die Hände in den Manteltaschen und ballte sie zu Fäusten, bis sie schmerzten. Er hatte Mühe, seine Stimme ruhig zu halten. » Warum?«
    » Warum? Ganz einfach: Du bist ein bemerkenswerter Junge«, entgegnete der Doktor gelassen und musterte Gabriel mit wissendem Blick. » Du kannst die Schatten sehen, nicht wahr?«
    Gabriel runzelte verblüfft die Stirn. Die Frage verwirrte ihn. Er war sich sicher gewesen, dass der Therapeut die gleichen Fähigkeiten haben musste wie er. Das Bild und die Unruhe der Bestie– alles hatte darauf hingedeutet. » Was meinen Sie damit? Sie etwa nicht?«
    Dr. Roth lächelte. » Ach, wo denkst du hin? Ich bin nur ein ganz gewöhnlicher Mensch. Aber ich muss zugeben, es würde mich sehr reizen, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der eine Gabe wie deine besitzt.«
    Gabriels Fingernägel gruben sich tief in das Fleisch seiner Handballen. Seine Bestie wurde derweil immer unruhiger. Sie drängte sich so nah an ihn heran, dass er das Bedürfnis verspürte auszuweichen. Sah Dr. Roth sie wirklich nicht? Nein, dachte Gabriel, er blickte nicht ein einziges Mal zu ihr hin. Nun spürte er selbst die Versuchung, dem Biest nachzugeben und einen Blick auf die andere Seite zu werfen. Zu sehen, was sich am Ende des Rauchfadens befand und was sich hinter der freundlichen Maske

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