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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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Wange an sein weiches Haar, atmete seinen Geruch ein, der so ganz anders war als der von Gabriel. Kräftiger und ein bisschen wie staubiger Samt und so viel angenehmer als der erstickende Gestank des Windes. Am Ende der Straße konnte sie nun trotz der Dunkelheit wieder den Turm sehen, der rasch näher kam und schon nach wenigen Minuten bedrohlich über ihnen aufragte. Marie wurde das unheimliche Gefühl nicht los, dass sie die ganze Zeit über von unzähligen Augen beobachtet wurden, und sie war froh, dass sie nicht länger allein in dieser diffusen Dunkelheit unterwegs war. Die Stimmen der Geister schienen mit jedem Schritt, den sie vorankamen, lauter zu werden, und am liebsten hätte Marie ihren Begleiter gedrängt, schneller zu laufen. Doch sie sagte nichts– ohne ihn wäre sie schließlich noch viel langsamer gewesen, und er musste sie zudem auch noch den ganzen Weg tragen.
    Endlich öffnete sich vor ihnen ein weiter Vorplatz, an dessen anderem Ende eine lange, schmale Treppe zum Eingang des Turms hinaufführte. Marie spürte, wie sich der Körper des Maskierten unter ihr anspannte, als er auf die offene Fläche hinaustrat. Ein Zittern lief durch seine Muskeln, und nun beschleunigte er seine Schritte tatsächlich. Angst griff mit kalten Fingern nach Maries Nacken. Sie spürte es auch. Etwas verfolgte sie, es näherte sich stetig, und sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, was geschehen würde, wenn es sie erreichte, bevor sie im Turm in Sicherheit waren.
    Der Maskierte rannte nun beinahe. Auf der Treppe nahm er immer zwei Stufen auf einmal, und Marie musste sich mit Armen und Beinen an ihm festklammern, um nicht von seinem Rücken zu fallen. Die hohe Tür, die ins Innere des Turms führte, war nun nicht mehr weit.
    Doch als sie die Hälfte der langen Treppe hinter sich gebracht hatten, blieb der Maskierte mit einem Ruck stehen. Behutsam setzte er Marie auf den Stufen ab. Als er sich zu ihr umwandte, waren seine Augen finster. Mit dem Zeigefinger berührte er den Stoff seiner Maske, dort, wo seine Lippen sein mussten. Seine andere Hand umschloss den Griff seines Schwertes.
    Marie biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte fragen, was los war, was er sah oder hörte– doch in diesem Augenblick spannte sich der Körper des Maskierten an. Sein Schwert glitt aus der Scheide und richtete sich auf die Schatten jenseits der Treppe.
    Marie drehte sich um, und jetzt sah sie es auch: Die dunklen Gassen, die sie eben verlassen hatten, waren in Bewegung geraten. Ein vielstimmiges Heulen hallte von den Wänden der schwarzen Häuser wider.
    Und dann strömten sie auch schon auf den Vorplatz des Turms. Unzählige, durchscheinende Gestalten mit verschwommenen Flecken, dort wo ihre Gesichter hätten sein sollen, und wehendem Haar, das wie Nebelfetzen aussah. Die Geister. Sie waren es gewesen, die sie die ganze Zeit über verfolgt hatten, und nun hatten sie sie beinahe eingeholt. Maries Magen zog sich vor Angst zusammen. Sie würden es nicht schaffen. Mit großen Augen starrte sie auf die Masse aus grauen Leibern, die sich unaufhaltsam näher schob. Eine Hand griff nach Maries Schulter und drängte sie zurück, die Stufen hinauf. Der Maskierte– er schob sich vor sie, das Schwert noch immer auf die Geister gerichtet. Inzwischen war der Platz überfüllt von den schattenhaften Wesen, die immer weiter vordrängten, wisperten und zischelten und ihre Hände nach Marie ausstreckten. Die ersten von ihnen hatten bereits die untersten Stufen erreicht.
    Der Maskierte warf Marie über die Schulter einen Blick zu.
    Lauf!, sagte der Blick.
    Marie öffnete den Mund, um zu protestieren. Sie konnte ihn doch hier nicht zurücklassen! Aber der Maskierte schnitt ihr mit einem energischen Kopfschütteln das Wort ab und deutete die Treppe hinauf auf den Eingang zum Turm.
    Und Marie begriff.
    Er tat das nicht für sie. Lea war dort oben, und der Maskierte wollte, dass sie ging, weil sie versprochen hatte, Lea zu retten. Es ging ihm keine einzige Sekunde um Marie. Aber er hatte ihr geholfen und sie durfte ihn jetzt nicht enttäuschen.
    Der Maskierte nickte ihr zu, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Seine Hand griff an seine Hüfte, und etwas blitzte auf. Mit dem Griff voran hielt er Marie ein Messer entgegen.
    Marie schluckte. Natürlich. Sie musste damit rechnen, sich gegen die Feen verteidigen zu müssen. Zögernd streckte sie die Hand aus. Der geschwungene Griff war warm und schmiegte sich angenehm gegen ihre Finger.
    » Danke«, flüsterte

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