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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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wüsste er genau, dass das, was er zu sagen hatte, Marie nicht gefallen würde. Marie war nun froh, dass sie nicht mehr im Café saßen, wo jeder sie beobachten konnte. Was wollte er ihr bloß sagen? Er kannte sie doch gar nicht– was konnte er über sie wissen, was sie nicht selbst wusste?
    Sie musste nicht lange auf die Antwort warten. Gabriel holte etwas angestrengt Luft, bevor er weitersprach.
    » Es ist so– ich glaube, dass du verfolgt wirst.«
    Für einen Moment lang konnte Marie nichts sagen. Nicht einmal denken. Dann aber spürte sie, wie ihr kalt wurde– und das hatte nichts mit dem frostigen Wetter zu tun. Man las ja in der Zeitung immer wieder von Triebtätern und Sexualverbrechern, aber Marie hatte niemals geglaubt, als Opfer für einen von ihnen interessant zu sein, schlaksig und blass, wie sie nun einmal war. Aber selbst wenn– warum wusste Gabriel davon? Und… sollte es tatsächlich so sein, war die Erkenntnis, die schmerzhaft auf dem Fuß folgte und Marie mit einem Schlag den Atem nahm, dann hatte Theresa trotz allem, was sie an diesem Nachmittag erlebt hatte, vielleicht recht! Hatte Gabriel sich doch nicht mit ihr getroffen, weil er sich für sie interessierte…?
    Marie schluckte trocken. Ihr war plötzlich übel. Aber sie hätte nicht sagen können, welche von beiden Erkenntnissen ihr mehr auf den Magen drückte. » Verfolgt?«, flüsterte sie. » Von wem denn?«
    Gabriel grub die Fingernägel in das Packpapier, das das Paket umhüllte. Marie sah seine Hände zittern. » Wahrscheinlich hältst du mich jetzt für völlig verrückt.« Sein Blick wirkte nun geradezu verzweifelt. » Aber weißt du, wenn ich dich ansehe, dann sehe ich sie hinter dir. Nein, in dir.«
    Bei den letzten Worten zerriss er das Papier mit einer heftigen Bewegung. Eine Leinwand kam darunter zum Vorschein, bemalt mit düsteren Farben und harten Linien, die nicht einmal das sanfte Abendlicht weichzeichnen konnte. Stumm streckte Gabriel Marie das Bild entgegen.
    Mit bebenden Fingern griff Marie danach und starrte mit geweiteten Augen darauf.
    Die große Leinwand war bis in die letzte Ecke ausgefüllt mit einem Schwarm jener geflügelten Wesen, die sie in ihren Träumen gesehen hatte. Unzählige ausgemergelte, verzerrt menschlich wirkende Körper. Faltige Gesichter, in denen riesige Münder voll spitzer Zähne klafften. Lidlose Augen. Und hauchdünne, schwarze Flügel.
    Noch bevor sie recht wusste, was sie tat, war Marie aufgesprungen. Die Leinwand polterte auf die Holzbohlen der Terrasse. Das war doch nicht möglich!
    » Woher weißt du davon?« Sie bemerkte, wie schrill, fas hysterisch ihre eigene Stimme klang – und so fühlte sie sich auch.
    » Bitte hör mir zu.« Gabriel rappelte sich ebenfalls auf und sah sie flehend an. » Sie kommen aus einer Stadt aus schwarzem Stein, richtig?«
    Marie starrte ihn an, zu fassungslos, um zornig zu sein. Ihre Gedanken rasten und überschlugen sich. Das konnte nicht sein. Er konnte nicht davon wissen, es sei denn… Plötzlich ergab die ganze Situation einen grausamen Sinn.
    » Hat Theresa dir das erzählt?« Mit Gewalt drängte sie die Tränen zurück, die ihr plötzlich in die Augen schossen. Nein, sie würde nicht anfangen zu heulen. » Findet ihr das irgendwie witzig, mich für blöd zu verkaufen?«
    » Theresa? Wer…? Nein, sie hat damit nichts zu tun. Ich will dir nur helfen!« Gabriel griff nach ihrem Handgelenk. Er hielt seine Stimme nur mühsam gedämpft. » Ich weiß nicht, was sie vorhaben, aber…«
    » Ihr könnt mich alle mal!« Mit einem Ruck riss Marie sich los. Schon während sie sich umdrehte, stiegen ihr die Tränen in die Augen, und sie rannte los, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. Schnee knirschte unter ihren Stiefeln, als sie halb blind vor verzweifelter Wut den Weg durch den Park zurück in Richtung Stadt lief. Ein wildes Flattern regte sich in ihrer Brust, und schwarze Blitze zuckten hinter ihren Augen, aber sie kümmerte sich nicht darum. Sie wollte weg. Nur weg, so weit sie noch konnte.
    » Warte… Marie!« Schnelle Schritte näherten sich von hinten, aber sie tat, als ob sie sie nicht hörte. Sie blieb auch nicht stehen– bis eine Hand ihre Schulter packte und sie festhielt.
    Zornig wirbelte sie herum. » Lass mich!«
    Gabriel atmete schwer. Seine dunklen Haare hingen wirr in sein Gesicht, und seine Haut war von der eisig kalten Luft gerötet. Die Zweige, die über dem Weg hingen, malten im schwindenden Licht harte Schatten auf seine Wangen.
    Und in

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