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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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gezählt. Der Turm bot ihnen Schutz, ihr und ihrem letzten Freund. Aber wie lange noch? Es war eine trügerische Sicherheit. Lea erinnerte sich zu gut an den Tag, als sie den Namen des Maskierten verloren hatten. Eines Morgens war er einfach fort gewesen. Das Gesicht, das sich unter der Maske abgezeichnet hatte, verschwunden. Es war nicht so, dass Lea ihn vergessen hatte. Mit dem Vergessen hätte sie sich abfinden können, hätte versuchen können, einen Weg zu finden, die Erinnerung zu wecken. Aber das war es nicht. Der Name war einfach fort, er existierte nicht mehr, genau wie all die anderen Namen, die dem Nebel zum Opfer gefallen waren. Zurück blieb nur die Gewissheit, dass der Maskierte einst einen Namen gehabt hatte. Dass irgendwann auch sein Körper und seine Persönlichkeit immer weiter schwinden würden, bis auch er ein Geist war– und schließlich nichts als ein Nebelschleier. Und dass sie, Lea, die Nächste sein würde, wenn sie nicht bald einen Ausweg fand.
    Lea spürte die Angst wie einen Fels auf ihrer Brust liegen. Wo hatte es angefangen? Und womit? Viel zu spät war ihr klar geworden, dass sie die Antwort auf diese Frage suchen musste, wenn sie eine Chance haben wollte, ihre Welt zu retten. Die Bauern, ja. Sie waren die ersten gewesen, bei denen sie es bemerkt hatte. Aber Lea glaubte sich zu erinnern, dass die Bewohner der Stadt schon zuvor verwundert festgestellt hatten, die Berge im Westen wären auch bei klarem Wetter hinter einem diesigen Schleier verborgen. Und nun war sie hier eingesperrt, ohne einen einzigen Anhaltspunkt, wie sie einen Weg durch den Nebel finden könnte. Oder ob es überhaupt noch ein Jenseits hinter dem Nebel gab. Wenn sie den Feen glaubte… Lea spürte einen Schauer über ihre Haut rieseln.
    Der Maskierte stellte sich neben sie, legte eine Hand leicht auf ihren Rücken, als wollte er sie beruhigen. Dabei war er selbst nicht ruhig. Er sorgte sich noch immer, mehr sogar als zuvor. Lea konnte es nachfühlen. Fröstelnd rieb sie sich über ihre nackten Unterarme. Sie fror, obwohl die Luft noch mild war. Aber es hatte auch nichts mit der Luft zu tun. Die Kälte war in ihrem Innern.
    Langsam drehte sie sich um und sah die Feen an, die zu Dutzenden auf den Regalen und den Bettpfosten saßen und sie aus ihren glänzenden Augen beobachteten. Sie warteten. Das Rauschen ihrer Flügel war verstummt. Alles war still.
    Lea befeuchtete ihre trockenen Lippen mit der Zunge und versuchte, die Angst zu unterdrücken, die noch immer in ihrem Magen kribbelte. Ihr Entschluss stand fest. Sie würde nicht zurückweichen, auch wenn der Maskierte damit nicht einverstanden war. Er hatte sich noch nie gegen ihre Entscheidungen aufgelehnt und das würde er auch diesmal nicht.
    » Was muss ich tun?«
    Wie zur Antwort erhoben sich vier der Feen in die Luft und schwebten zu Lea hinüber. Sie griffen nach ihren Händen und zogen sie sanft in Richtung Bett.
    Sei ganz ruhig. Leg dich hin.
    Obwohl die Berührung der Feen auf ihrer Haut brannte, ließ Lea sich widerstandslos von ihnen durch den Raum führen. Vorsichtig ließ sie sich auf die Decken sinken und versuchte, sich zu entspannen. Die Feen landeten auf ihrer Brust und ihrem Bauch. Die winzigen schwarzen Augen fixierten Lea, ohne zu blinzeln.
    Nun lass uns ein.
    Lea schluckte. Ihr Mund war noch immer trocken. Sie spürte den Blick des Maskierten. Seine Gegenwart beruhigte sie ein wenig. Sie würde ihn retten. Nur darauf kam es an.
    » Ihr werdet die Geister wirklich wieder lebendig machen?«
    Ein leises Kichern klingelte in ihren Ohren.
    Glückliche Erinnerungen sind das Lebenselixier. Wir bringen es dir aus dem Jenseits.
    Lea schloss die Augen. Sie konnte dem starren Blick der Feen nicht länger standhalten.
    » Tut es weh?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern.
    Nur ein wenig. Hab keine Angst.
    Wieder hörte sie das Flügelrauschen. Auch die übrigen Feen hatten sich erhoben. Lea spürte sie näher kommen, roch den schweren Duft, der ihre Sinne betäubte.
    Ein Stechen an ihrem Arm, wie von sehr feinen Nadeln, ließ sie zusammenzucken. Und dann waren die Stiche überall. Eisige Kälte durchflutete sie. Lea riss die Augen auf, und ein spitzer Schrei entwich ihr, als sie sah, dass die Feen sich wie eine zweite Haut an sie geheftet hatten. Die winzigen Zähne gruben sich in ihren Körper.
    Lea keuchte entsetzt. » Nicht…!«
    Sie konnte sich nicht bewegen. Die Kälte lähmte ihre Glieder. Sie konnte den Maskierten nicht mehr sehen. Wo war er?

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