Als die schwarzen Feen kamen
Eine Wand aus schwarzen Flügeln versperrte ihr die Sicht.
Ganz ruhig … Es schmerzt nur am Anfang.
Leas Atem ging schwer. Voller Entsetzen beobachtete sie, wie die Feen sich immer weiter in ihren Leib hineinfraßen.
» Nein…!«
Öffne dich. Der Schmerz vergeht.
Und tatsächlich spürte Lea nur einen Augenblick später, wie das Stechen nachließ. Quälend langsam verschmolzen die Körper der ersten Feen mit ihrer Haut, sanken immer tiefer in sie hinein.
Du bist das Tor.
Nun fühlte es sich beinahe wie ein Streicheln an. Erschöpft hörte Lea auf, sich zu wehren.
Das Schloss und der Schlüssel. Wir sind die Reisenden. Warte auf uns bei Tagesanbruch.
Ihre Sinne schwanden. Schwärze kroch vom Rand ihres Sichtfeldes heran, verschluckte das Licht der Feen. Ihre Augen. Und schließlich auch jedes Geräusch.
Die Welt war weit entfernt. Ihr Körper war fort. Allein trieb Lea in der Finsternis, losgelöst von der Realität und allem, was sie kannte.
Zeit floss über sie hinweg, ohne dass sie die Sekunden hätte zählen können.
Nur Dunkelheit. Dunkelheit voller Augen. Und Flügel.
Das Tor und der Schlüssel. Sie hatte es nun begriffen. Ihr Körper war das Tor, ihr Geist der Schlüssel. Dazwischen war sie mit den Feen vereint. Sie waren die Reisenden, die darauf warteten, dass Lea den Durchgang öffnete. Lea konnte von hier aus die andere Seite spüren. Das Jenseits. Jene fremde Welt, die der Obsidianstadt das Leben geraubt hatte.
Die Feen würden es zurückholen. Die Stadt würde wieder leben. Der Maskierte würde sie nicht verlassen.
Erleichterung schimmerte wie eine Perle in der Tiefe von Leas Gedanken. Sie war bereit. Es war an der Zeit, in ihren Körper zurückzukehren und den Durchgang für die Feen freizugeben.
Lea griff nach ihrer eigenen Hand, spürte sie warm und weich unter ihren Fingern. Sanfter Wind auf ihrer Haut. Rötliches Licht hinter ihren Lidern. Der Herzschlag des Maskierten ganz in ihrer Nähe. Blinzelnd öffnete Lea die Augen. Es war Nacht. Sie lag noch immer auf ihrem Bett, der Maskierte saß dicht neben ihr und beleuchtete mit einer kleinen Laterne ihr Gesicht. Die Feen waren fort.
Doch von weit in der Ferne hörte Lea einen Schrei, der tief aus ihrem Inneren zu kommen schien und ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Sie klammerte sich an die Hand des Maskierten und zog die Knie eng an die Brust.
Ein Schrei voller Verzweiflung, Angst und Schmerz.
Lea kannte diese Stimme.
Es war ihre eigene.
Warte auf uns bei Tagesanbruch.
Die Stunden bis zum Sonnenaufgang schienen endlos. Ohne zu sprechen und ohne die Hand des Maskierten auch nur einen einzigen Augenblick loszulassen, blieb Lea zwischen den Kissen liegen und starrte hinüber zum Fenster, das wie eine leere Augenhöhle in der Wand klaffte. Wenn sie in sich hineinhorchte, konnte sie ferne Stimmen hören, die ohne Worte miteinander sprachen. Gedankenfetzen aus der jenseitigen Welt, die sie nicht verstand. Sie schwappten durch das Tor in ihrem Inneren, das immer noch weit geöffnet war. Es musste eine düstere, eine unheimliche Welt sein, dachte Lea, kälter und unfreundlicher noch als ihre eigene. Aber wenigstens war sie nicht leer.
Als endlich die ersten Sonnenstrahlen wie blasse Finger nach der Fensterhöhle tasteten und den Himmel in ein milchiges Rosa tauchten, hatte Lea das Gefühl, zu einer Eisskulptur erstarrt zu sein. Sie hätte sich nicht mehr rühren können, selbst wenn sie gewollt hätte. Die Laterne neben ihrem Bett war längst erloschen. Langsam füllte sich der Raum mit fahlem Morgenlicht– und als der erste Strahl Leas erschöpfte Augen berührte, spürte sie in ihrem Inneren, dort wo sie das Tor geöffnet hatte, ein zartes Pochen.
Lass uns ein. Wir bringen Leben.
Leas Atem stockte. Für einen Moment überkam sie Übelkeit bei dem Gedanken, die Berührung ein weiteres Mal ertragen zu müssen. Dann aber festigte sie ihren Griff um die Hand des Maskierten und ließ zu, dass die Feen erneut das Tor durchquerten, das ihr Körper geworden war. Wie ein Strahl schwarzen Wassers quollen sie aus Leas Brust und überschwemmten das kleine Zimmer. Ihr weißlich-blaues Licht verdrängte den noch morgendlich matten Schein der Sonne. Geblendet schloss Lea dieAugen und spürte nun umso intensiver, wie die kleinen Körper ihren Brustkorb durchstießen und ins Freie drängten. Jeder von ihnen verursachte einen kurzen Schmerz, so fein, dass Lea ihn beinahe als angenehm empfand.
Nach einer Weile, die sich wie eine
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