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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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Ewigkeit anfühlte, wurde der Strom der Feen endlich schmaler, versiegte zu einem Tröpfeln und verebbte schließlich ganz. Flatternd hoben sich Leas Lider, und mühsam setzte sie sich auf, um sich umzusehen.
    Die Feen hatten sich wie schon am Abend zuvor im Zimmer verteilt und saßen auf den Möbeln, an den Wänden und auf dem Fußboden. Nur eine von ihnen schwebte noch in der Nähe des Mädchens und seines Beschützers und sah sie aus schwarz funkelnden Augen an.
    Lea leckte sich über die trockenen Lippen. Sie musste jetzt stark sein, dachte sie. Die Feen durften nicht merken, wie schwach die durchlittene Nacht sie zurückgelassen hatte. Doch im selben Augenblick verzerrte sich das kleine Gesicht des Wesens zu einem Grinsen, als hätte es Leas Gedanken gehört. Ein lautloses Kichern wehte durchs Zimmer.
    Sieh. Wir haben das Leben in die Stadt getragen.
    Als sei sie eine Feder, die ein plötzlicher Windstoß erfasst hatte, stieg die Fee auf und taumelte zum Tisch neben dem Bett hinüber. Ein Kelch aus Glas stand dort bei einer Karaffe mit Wasser. Mit zitternden Flügeln verharrte die Fee darüber. Ein Zucken lief durch die zerbrechlichen Glieder, bis sich der winzige Körper wie im Krampf schüttelte. Gebannt sah Lea zu. Doch erst als die Fee den Mund weit aufriss und ein sanftes Glühen herausdrang, begriff sie, was dort, kaum eine Armlänge von ihr entfernt, geschah: Die Fee erbrach sich. Quälend langsam und begleitet von spitzem Keuchen, quoll Stück für Stück ein silbrig und golden schimmernder Tropfen aus ihrem Mund und fiel schließlich mit einem leisen Platschen in das Glas.
    Nun stiegen auch die anderen Feen auf und schwebten zum Bett herüber. Eine nach der anderen verharrten sie über dem Kelch und würgten die glitzernden Tropfen hinein. Zuerst bildete sich eine winzige Pfütze. Dann ein kleiner Teich. Und als die letzte Fee ihren Tropfen in das Glas geworfen hatte, war es beinahe zur Hälfte gefüllt. Fasziniert starrte Lea auf die klare Flüssigkeit, die den ganzen Raum mit ihrem sanften Glanz erfüllte und sogar das Licht der Sonne verschluckte. Doch als sie eine zitternde Hand nach dem Glas ausstreckte, flog die erste der Fe en ihr entgegen und ließ sich auf ihrem Finger nieder.
    Sei vorsichtig. Jeder einzelne Tropfen ist eine glückliche Erinnerung, kostbar und unwiederbringlich.
    Unwillkürlich ballte Lea die Hand zur Faust und zog den Arm zurück.
    » Was muss ich tun?« Ihre Worte klangen spröde, als sei selbst ihre Stimme in dieser Nacht erfroren. » Wie kann ich…?«
    Eine kleine Hand legte sich auf ihre Lippen und bedeutete ihr zu schweigen.
    Gib es den Vergessenen zu trinken. Es erlöst sie von ihrem Fluch.
    Lea schluckte. So einfach? Das sollte alles sein? Sie warf einen Blick auf die unbewegte Gestalt des Maskierten an ihrer Seite. Es drängte sie, ihm sofort den Kelch zu reichen und ihn als Allerersten zu retten. Aber etwas in ihr fürchtete sich noch immer davor, den Feen so unbedarft zu vertrauen. Sie wusste, dass er ihnen nicht traute. Er würde nicht trinken. Nicht, solange er nicht sicher war, dass es wirklich half.
    » Auf der anderen Seite gibt es mehr davon, nicht wahr?« Lea straffte die Schultern und zwang sich, die Fee vor ihrer Nase direkt anzusehen. » Ihr könnt mehr von diesen glücklichen Erinnerungen für mich beschaffen.«
    Das können wir. Viel mehr.
    Lea atmete tief durch. Auf diese Antwort hatte sie gehofft. Es gab mehr als einen Versuch. Sie konnte das Elixier an einem der Geister ausprobieren.
    Sie richtete sich auf und griff mit beiden Händen behutsam nach dem Glas. Dann lächelte sie den Maskierten an und streckte ihm den Kelch entgegen.
    » Lass uns die Weberin besuchen.«
    Krähen kreisten über dem Marktplatz, als Lea und der Maskierte durch die stille Stadt wanderten. Geister streiften stumm und flüchtig an ihnen vorbei, schattenhafte Grotesken ihrer einstigen Tätigkeiten verrichtend. Der Schmied, der seit Jahren Hufeisen um Hufeisen schmiedete, für Pferde, die es nicht mehr gab, sodass sein kleiner Lagerraum längst bis zur Decke gefüllt war. Der Bäcker, der Brot aus verdorrtem Korn und fauligem Wasser buk. Die Laibe zerfielen bereits beim leisesten Windhauch, und nur die Krähen ernährten sich davon. Die Hausfrauen, die mit leeren Körben den immer gleichen Weg zum Markt gingen. Schemenhafte Kinder, die bis in alle Ewigkeit Fangen spielten. Das Wispern ihrer Stimmen trieb wie Ascheflocken durch die Straßen. Keiner von ihnen nahm Notiz von Lea

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