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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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still. Dann folgte ein angestrengter Atemzug– und eine zögernde Mädchenstimme, die Gabriel kannte. Eine Stimme, auf die er seit gestern Abend gehofft hatte. » Gabriel…?«
    » Marie!« Erleichterung durchflutete ihn. Von einem Augenblick zum nächsten war ihm die Wasserlache auf den Holzdielen ebenso egal wie der Schmerz, der sich langsam von seinem kleinen Zeh in den ganzen rechten Fuß ausbreitete.
    Wieder sagte sie eine ganze Weile lang gar nichts. Aber Gabriel glaubte mehrmals zu hören, dass sie zum Sprechen ansetzte.
    Als sie es endlich wirklich tat, klang ihre Stimme dünn und belegt, als kosteten sie die Worte unendliche Überwindung. » Kannst… du sie wirklich sehen?«
    Gabriel leckte sich über die plötzlich trockenen Lippen. Er musste nicht fragen, was sie meinte. Seine Hand umklammerte das Handy so fest, dass er befürchtete, es würde zerbrechen. Doch seinen Griff entspannen konnte er auch nicht. Etwas in Maries Worten jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Da war ein Begreifen in ihrer Stimme. Ein Akzeptieren der Tatsache, dass etwas mit ihr nicht stimmte, und Gabriel glaubte nicht, dass sie allein durch intensives Nachdenken zu diesem Schluss gekommen war. » Was ist passiert?«
    Einen Moment lang schien es, als würde sie die Luft anhalten. » Meine Mutter…«, presste sie dann mühsam hervor. » Es geht ihr schlecht, und ich glaube… ich glaube, ich bin schuld!« Beim letzten Satz brach ihre Stimme. Gabriel hörte mit aller Kraft zurückgedrängte Tränen darin, und mit einem Mal hatte er das Gefühl, als legte sich eine Stahlschlinge um seinen Brustkorb, die ihm langsam, aber sicher die Luft abschnürte. Er hätte in diesem Augenblick vieles sagen können. Er hätte versuchen können, Marie zu trösten, ihr einzureden, dass sie an gar nichts Schuld war. Doch das wäre eine Lüge gewesen. Obwohl sie nichts weiter erklärte, ahnte Gabriel, auch ohne die Einzelheiten zu kennen, dass sie recht hatte. Er selbst hatte recht gehabt. Die Geflügelten waren der wirklichen Welt zu nahe gekommen und hatten ihre Mutter in Gefahr gebracht. Sein neuestes Bild sprach für sich, was das betraf. Auch wenn er das Motiv bisher nur erahnen konnte.
    » Bitte sag mir, ob du sie wirklich sehen kannst«, flüsterte Marie in die Stille hinein, die nach ihren letzten Worten entstanden war.
    Gabriel schluckte. Vor lauter Aufregung hatte er überhaupt nicht bemerkt, dass er ihre Frage nicht beantwortet hatte.
    Er atmete tief durch, um sich zu sammeln. Er musste sie irgendwie beruhigen. Was geschehen würde, wenn sie in Panik geriet, konnte er nur vermuten. Vielleicht nichts. Vielleicht aber auch etwas, das Gabriel sich nicht einmal vorzustellen wagte. Wenn er die Wahl hatte, wollte er es lieber nicht genauer wissen. » Ja, das kann ich«, sagte er und versuchte, seiner Stimme einen sicheren Klang zu geben. » Wenn du… wenn du möchtest, treffen wir uns gleich und reden über alles.«
    Eine Weile schwieg Marie, und er konnte geradezu hören, wie sie über seinen Vorschlag nachdachte.
    » Ja… danke. Ich glaube, das ist eine gute Idee«, antwortete sie schließlich. Ein leiser Hoffnungsschimmer schwang in ihren Worten mit.
    Gabriel atmete erleichtert auf. Er warf einen schnellen Blick auf die Uhr in der Kochnische. Acht Minuten vor sechs. » Für einen Kaffee ist es vielleicht schon ein bisschen spät. Aber wir könnten uns ja trotzdem noch mal im Mondscheincafé treffen, oder was meinst du? Ich kann in zwanzig Minuten dort sein. Und dann überlegen wir, wo wir hingehen.«
    Marie holte zitternd Atem. » Ich brauche bestimmt eine Dreiviertelstunde dorthin.«
    Gabriel fluchte innerlich. » Oh, Mist. Daran hab ich gar nicht gedacht. Soll ich dann lieber zu dir kommen?«
    Maries Antwort kam beinahe zu schnell. » Nein. Nein, ist schon gut. Wir treffen uns im Café. Ich… muss hier unbedingt für eine Weile raus.«
    Gabriel wischte sich fahrig die Haare aus der Stirn. Das Zittern in ihrer Stimme ging ihm durch Mark und Bein. Allein der Klang ihrer Worte beschwor in ihm die Bilder der Schattenwesen herauf, und er konnte beinahe fühlen, wie die dünne Haut ihrer Flügel ihn streifte. In diesem Augenblick fürchtete er sich regelrecht davor, Marie zu treffen. Aber er würde jetzt keinen Rückzieher machen. Er hatte versprochen, ihr zu helfen. Und das würde er auch zumindest versuchen.
    » Also dann… dann bis gleich. Und danke.« Ihre Stimme war noch immer kaum mehr als ein Wispern. Gabriel setzte zu einer

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