Als die schwarzen Feen kamen
der sie so eindringlich ansah, dass ihr ganz flau im Magen wurde…
Das Flattern in ihrer Brust verschwand, als hätte allein die Erinnerung an ihn es vertrieben. Marie ballte die Fäuste und starrte auf das Telefon. Nein, sie konnte ihn nicht anrufen. Dieser Typ war entweder verrückt oder er machte sich über sie lustig. Und in keinem von beiden Fällen wollte Marie irgendetwas mit ihm zu tun haben. Sie hatte genug andere Sorgen.
In diesem Moment drang das leise Knarren der Schlafzimmertür an ihr Ohr. Augenblicklich sprang Marie auf die Füße und lief in den Flur, wo gerade Dr. Hansen ihre Tasche abstellte.
» Ah, Marie.« Die groß gewachsene Frau lächelte und strich sich eine graubraune Locke aus dem Gesicht. » Da bist du. Hast du eine Minute Zeit für mich?«
Marie nickte hastig. » Wollen Sie sich mit mir ins Wohnzimmer setzen?« Sie deutete durch den Türrahmen auf die Sitzecke beim Fernseher, wo noch immer die Talkshow lief. Hastig lief sie voraus und stellte das Gerät ab.
Dr. Hansen folgte ihr ohne Eile und ließ sich auf dem kleineren der beiden Sofas nieder. Marie setzte sich ihr gegenüber und beobachtete sie gespannt. Dr. Hansen wirkte ernst, aber nicht übermäßig besorgt, und das beruhigte ihre aufgewühlten Nerven ein wenig. Dann war es vielleicht nichts allzu Schlimmes. Doch tief in ihrem Inneren wurde sie das beklemmende Gefühl nicht los, dass Karin vielleicht an etwas litt, das Dr. Hansen gar nicht sehen konnte. Marie schüttelte sich innerlich. Das war doch alles verrückt.
» Also.« Die Ärztin räusperte sich leicht, und Marie zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Frau vor ihr zu richten. » Es sieht so aus, Marie, als ob deine Mutter einen stressbedingten Schwächeanfall erlitten hat.«
Marie atmete auf. Das klang zumindest nicht nach einer schweren Krankheit– eher nach etwas, das nach einem ruhigen Wochenende wieder auskuriert wäre. Wahrscheinlich, dachte Marie, war ihre Mutter auch hilflos und einsam, genau wie sie selbst. Viel einsamer vielleicht, als sie geahnt hatte. Das schlechte Gewissen saß nun wie ein bitterer Klumpen in ihrer Kehle.
» Ich denke, was sie zur Zeit braucht, ist viel Zuwendung und Geduld«, fuhr Dr. Hansen inzwischen fort. » Vor allem Geduld. Jede Art von Stress sollte in den nächsten Wochen nach Möglichkeit von ihr ferngehalten werden, damit so etwas nicht noch einmal passiert.« Sie musterte Marie aufmerksam. » Glaubst du, dass du damit zurechtkommst? Ich würde euch sonst empfehlen, euch eine Haushaltshilfe zu suchen. Das würde die Lage sicher entspannen, was meinst du? Die Kosten würde sicher die Kasse übernehmen.«
Marie schwieg. Bei aller Freundlichkeit, die die Ärztin ihr entgegenbrachte, war sie nicht sicher, ob ihr der Vorschlag gefiel. Eine Haushaltshilfe? Eine Fremde in der Wohnung, vielleicht jeden Tag– sie konnte sich nicht vorstellen, dass das für sie oder ihre Mutter weniger Stress bedeuten würde. Oder schätzte sie die Situation falsch ein? Tatsächlich vernachlässigte sie ihre Pflichten im Haushalt ziemlich oft… Aber das konnte doch nicht der Grund für Karins Zusammenbruch sein– oder?
» Ich rede mit Mama darüber«, murmelte sie schließlich unsicher. » Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Dr. Hansen nickte und stand auf. » Du wirst diese Situation schon meistern«, sagte sie und lächelte Marie aufmunternd zu. » Und mach dir keine Vorwürfe. Es ist ganz sicher nicht deine Schuld.«
Marie kniff die Lippen zusammen. Am liebsten hätte sie Dr. Hansen ins Gesicht gesagt, dass man besser nicht über Dinge sprach, von denen man keine Ahnung hatte. Aber sie schluckte die unhöflichen Worte hinunter. Die Ärztin hatte bei Maries Anruf sofort angeboten herzukommen, obwohl doch Sonntag war und Marie sie nur auf ihrem privaten Anschluss erreicht hatte. Da war es wohl das Mindeste an Dankbarkeit, wenn sie freundlich zu ihr war. Sie erhob sich ebenfalls und begleitete Dr. Hansen zur Tür.
» Bis bald, Marie«, sagte die Ärztin zum Abschied. » Und alles Gute.«
Nur mit Mühe konnte Marie ein Lächeln auf ihr Gesicht zwingen. Dann schloss sich die Wohnungstür und sie konnte endlich wieder freier atmen. Dr. Hansens Gegenwart war bedrückend gewesen. Auch wenn sie natürlich nur helfen wollte, die verständnisvolle Freundlichkeit und die Art, mit ihr wie mit einem Kind zu sprechen, machten Marie fast wahnsinnig.
Unschlüssig blieb sie im Flur stehen und starrte mit leerem Blick auf die geschlossene Tür. Was sollte
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