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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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Schatten, die ich je gesehen habe. Sie konnten dich anfassen, und die Menschen in deiner Nähe. Aber eigentlich müssten sie auf ihrer Seite bleiben, verstehst du? Eigentlich dürfte es keine Berührungspunkte zwischen ihnen und unserer Welt geben. Und dann war da noch dieses Bild…« Er stockte, und Marie sah, wie er schauderte. Sofort stand ihr das Gemälde der Feen wieder vor Augen, das er ihr am Vortag gezeigt hatte. Sie verstand, warum er sich davor fürchtete. Sehr gut sogar.
    » Es hat sich wie von selbst gemalt und es ist deinen Feen sehr ähnlich. Deshalb habe ich dich angesprochen«, fuhr Gabriel leise fort. » Ich hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen. Aber ich wollte nicht, dass du dich dadurch angegriffen fühlst. Wenn ich dich verletzt habe, tut es mir leid. Wirklich.«
    Marie schluckte. Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Vorsichtig blickte sie Gabriel an. Obwohl er höchstens zwei Jahre älter war als sie, schienen seine Augen so viel mehr gesehen zu haben als ihre, so viel mehr zu wissen und zu verstehen. Marie hatte nur eine sehr undeutliche Vorstellung davon, was er meinte, wenn er sagte, dass er die Ängste und die Trauer der Menschen um ihn herum sehen konnte. War es wie heute Nachmittag, als sie die blassen Schatten auf Karins Haut bemerkt hatte? Marie erinnerte sich an das eisige Entsetzen, das durch ihren Körper geflossen war. Und mit solchen Bildern lebte Gabriel schon seit vielen Jahren? Wer konnte das denn auf Dauer aushalten, ohne wahnsinnig zu werden?
    Sie schüttelte leicht den Kopf. » Nein, ich… mir tut es leid, dass ich dir gestern nicht zugehört habe.«
    Gabriel lächelte– und zum ersten Mal an diesem Abend sah Marie die goldenen Flecken in seiner Iris funkeln. Im gleichen Moment wurde ihr plötzlich überdeutlich bewusst, dass ihre Füße die seinen schon die ganze Zeit berührten. Blut schoss ihr in die Wangen.
    Gabriel lehnte sich zur Seite und goss Tee in die Becher. Einen davon reichte er Marie. » Mach dir darum keine Sorgen. Ich bin Schlimmeres gewöhnt.« Er zwinkerte – aber irgendwie sah er dabei traurig aus, dachte Marie. Dankbar schloss sie ihre Hände um die Tasse. Die Wärme tat ihr gut.
    Gabriel schluckte. » Jedenfalls… Seit heute ist es anders. Schlimmer.« Die Falte zwischen seinen Brauen grub sich tief in seine Haut, als er die Stirn runzelte, als überlegte er, wie er das, was ihm durch den Kopf ging, in Worte fassen könnte. » Wenn ich dich ansehe, ist es, als ob in deinem Schatten ein Loch wäre. Ein Durchgang oder so. Als ob die Feen die Grenze zu unserer Welt durchbrochen hätten. Ich habe so was noch nie gesehen, und um die Wahrheit zu sagen: Es macht mir Angst.«
    Angst. Ja, Marie konnte sie spüren. Sie empfand sie selbst. Deshalb also hatte er sie vorhin vor dem Café so merkwürdig angesehen. Ein Loch in ihrem Schatten? Und die Feen, die in ihre Welt durchbrachen? Ihr wurde schlecht, wenn sie daran dachte. Warum hatte sie sich gestern bloß geweigert, ihm zuzuhören? Hätte sie vielleicht noch etwas tun können, um es zu verhindern? Er hatte ihren Anfall aufgehalten, und trotzdem… Sie schloss ihre zitternden Finger fest um die Tasse. Die ganze Zeit über, begriff sie, hatte er sich also um sie bemüht, weil er glaubte, dass sie eine Gefahr sein könnte– sie und die Feen. Weil er ihr helfen wollte. Der Gedanke tat weh, weil es bedeutete, dass er sich nicht für sie als Person interessierte. Und gleichzeitig war sie unglaublich erleichtert, dass er trotzdem mit ihr sprach. Dass sie hier in seiner Wohnung sitzen und mit ihm reden durfte und dass er sie nicht für verrückt erklärte. Plötzlich hatte sie das drängende Gefühl, ihm irgendwie zeigen zu müssen, dass auch sie ihm wirklich und ernsthaft glaubte. Gabriel sah diese Dinge und sie waren echt. Wie sonst hätte er von den Feen erfahren sollen? Nervös rieb sie ihren Daumen über eine kleine Kerbe im Henkel der Tasse.
    » Gabriel, darf… darf ich dich was fragen?«
    Gabriel hob den Kopf und sah sie einen Augenblick lang prüfend an. Dann nickte er. » Na klar.«
    Marie zögerte einen Moment. Dann aber beschloss sie, es einfach zu versuchen.
    » Wie… sieht denn dein Schatten aus?«
    Gabriel zuckte bei ihren Worten fast unmerklich zusammen. Seine Augen schienen sich zu verdunkeln, und er senkte den Blick.
    » Darüber will ich nicht sprechen«, murmelte er halblaut– und gleichzeitig sehr bestimmt.
    Schon wieder falsch. Marie schluckte mühsam. Warum nur schien sie in

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