Als die schwarzen Feen kamen
Gabriels Gegenwart von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten, sobald sie nur den Mund aufmachte? Sie wartete eine Weile, aber er schien nichts mehr hinzufügen zu wollen.
» Entschuldige«, stammelte sie hilflos. » Ich wollte nicht… Ich wollte…« Sie brach ab. Es hatte ja doch keinen Sinn, dachte sie bedrückt. Jetzt waren die Worte heraus und sie konnte sie nicht zurücknehmen. Marie ließ den Kopf hängen und holte angestrengt Luft.
» Was soll ich denn jetzt machen?« Ihre Stimme klang noch immer ein wenig dünn.
Gabriel trank einen Schluck Tee und betrachtete sie über den Tassenrand hinweg. Nur sehr langsam verschwand ein Teil der Düsternis, die sich über sein Gesicht gelegt hatte. Schließlich hob er leicht die Schultern.
» Um ehrlich zu sein– ich weiß es nicht genau. Ich hatte gehofft, wir könnten vielleicht herausfinden, wie du die Feen, oder was auch immer sie sind, wieder dort einsperren kannst, wo sie hergekommen sind. Dass wir sie ganz loswerden, glaube ich nicht, aber auf unserer Seite der Realität können sie nicht bleiben.« Er runzelte nachdenklich die Stirn. » Hast du irgendeine Ahnung, wie sie den Durchbruch geschafft haben könnten? Ich meine, sie gehören nicht hierher. Und solche Tore entstehen nicht ganz von allein, das glaube ich einfach nicht. Es muss eine Art Auslöser dafür gegeben haben. Und was ist mit dieser Stadt? So was habe ich in den Schatten noch nie gesehen. Menschen bauen Städte– Schattenkreaturen tun das nicht, zumindest nicht soweit ich das beurteilen kann. Ich wüsste nicht, wie sie das anstellen sollten.«
Marie leckte sich über die trockenen Lippen und nippte ihrerseits an ihrem Tee. Sie schloss die Augen und versuchte, sich die Szenerie aus ihrem Traum wieder in Erinnerung zu rufen. Es fiel ihr beunruhigend leicht. Ja, was war mit der Stadt? Das schwache Gefühl, einen vertrauten Ort zu betrachten, kribbelte von Neuem in ihrem Magen. Trotzdem weigerte sich ihr Kopf, ihr weitere Informationen zur Verfügung zu stellen. Aber warum? Was hatte es damit auf sich?
Als sich Gabriels Füße von ihren zurückzogen und er ein weiteres Mal aufstand, hob sie überrascht die Lider.
» Ich will dir was zeigen.« Gabriel griff nach dem Bild, das gegenüber vom Sofa an der Dachschräge lehnte, und drehte es herum. Verblüfft starrte Marie darauf. Auf der Leinwand war nichts zu sehen, außer verschwommenen Flecken in düsterem Rot, Schwarz und ein wenig bläulichem Weiß.
Gabriel sah sie eindringlich an. » Was siehst du?«
Marie leckte sich über die trockenen Lippen. Was bezweckte er nur damit? Was war das für ein seltsames Bild? Egal wie genau sie hinsah, sie konnte nichts erkennen.
» Nur Farbflecken«, gab sie unsicher zu.
Gabriel nickte langsam. Dann griff er noch einmal nach der Leinwand und drehte sie auf den Kopf, bevor er sich wieder neben Marie auf das Sofa setzte.
» Und jetzt?«
Marie schluckte. Gab es dort wirklich etwas zu sehen? Doch, da war etwas. Es war ein wenig, wie wenn man eines dieser vertrackten 3-D-Bilder betrachtete, bei denen man das Motiv nur erkannte, wenn man in einem ganz bestimmten Winkel darauf schielte. Da war etwas, da war auf jeden Fall etwas, dachte Marie und spürte, wie ihr Herz vor Aufregung schneller zu schlagen begann. Waren diese Formen nicht… ein menschlicher Körper? Und…
» Flügel«, flüsterte sie. Kaltes Entsetzen breitete sich an ihrem Nacken aus. Die Feen. Sie schwirrten um eine Gestalt herum. Entsetzen packte Marie, als sie sie erkannte. Ihre Mutter. Das war ganz sicher Karin! Ein Kloß steckte in ihrer Kehle, und am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen, aber sie konnte nicht. Die Angst verschloss ihren Hals und erstickte jedes andere Gefühl.
Gabriel warf ihr einen undeutbaren Blick zu. » Also siehst du es auch«, murmelte er. Er klang betroffen, aber nicht überrascht. Noch einmal stand er auf und drehte das Bild wieder auf die Rückseite. Verbarg das schreckliche Motiv.
» Ich habe noch mehr solcher Bilder gemalt«, erklärte er dann langsam, während er sich wieder zu Marie auf das Sofa setzte. » Bilder von deiner schwarzen Stadt zum Beispiel. Ich glaube… dass sie eine Art Fenster sind. Ich kann sehen, was auf der anderen Seite passiert. Aber ich verstehe den Sinn dahinter nicht. Ich hatte gehofft, vielleicht kannst du die Bilder besser deuten als ich.« Die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer. » Willst du sie sehen?«
Marie schüttelte hastig den Kopf. Ihr war klar, dass sie
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