Als die schwarzen Feen kamen
Gabriel reden. Sicher konnte sie ihn von Dr. Roths Verschwiegenheit überzeugen. Und dann konnte sie dem Doktor später doch alles erzählen. Der Gedanke erleichterte sie. Schnell schüttelte sie den Kopf.
» Nein. Im Augenblick nicht. Ich bin nur noch ein bisschen verwirrt. Und… ich würde gern noch einmal diese Stadt sehen.«
Das zumindest stimmte. Die Obsidianstadt im Sonnenlicht war so wunderschön gewesen. Marie wäre jederzeit gern dorthin zurückgekehrt.
Dr. Roth lächelte milde. Sie zu drängen, war etwas, was er niemals tun würde. » Ich würde mich freuen, wenn du mir beim nächsten Mal mehr darüber erzählst.«
Marie nickte. » Das mache ich bestimmt.«
» Schön.« Dr. Roth stand auf. » Dann möchte ich dir nur noch etwas mitgeben, bevor ich dich aus meinen Fängen entlasse.« Er ging zum Schreibtisch hinüber und holte aus einer der Schubladen ein kleines Fläschchen aus braunem Glas hervor.
» Während einer Hypnosetherapie kommt es häufig dazu, dass die Patienten von Albträumen geplagt werden. Das hier ist ein homöopathisches Mittel, mit dem ich bisher nur gute Erfahrungen gemacht habe. Drei Tropfen vor dem Schlafengehen sollten dafür sorgen, dass du von bösen Träumen verschont bleibst. Wenn du sie direkt auf die Zunge gibst, wirken sie schneller. Sollte es sehr schlimm sein, kannst du auch bis zu zehn nehmen.«
Marie nahm das Fläschchen entgegen und steckte es in ihre Tasche, bevor sie aufstand. Ein Schlafmittel? Ja, dachte sie, es war gut möglich, dass sie das brauchen würde.
» Vielleicht solltest du ab jetzt wieder einmal in der Woche kommen, bis wir Ergebnisse haben.« Dr. Roth begleitete sie zur Tür. » Und denk bitte auch daran, deine Tabletten regelmäßig zu nehmen. Die sind sehr wichtig, damit deine Anfälle sich nicht weiter verstärken.«
Marie nickte. » Ja, natürlich. Und ich würde auch gern öfter kommen, nur… Meine Mutter… es geht ihr immer noch sehr schlecht, darum weiß ich nicht…« Sie stockte, weil ein Kloß plötzlich unangenehm scharfkantig in ihrer Kehle steckte. » Ich kann das zurzeit nicht mit ihr besprechen. Sie ist jetzt im Krankenhaus.« Ihre Stimme verendete in einem kläglichen Flüstern.
Der Doktor musterte sie betroffen. » Aber warum hast du denn davon nichts gesagt, Lea Marie?« Er schüttelte verständnislos den Kopf. » Wo wohnst du? Doch nicht allein zu Hause?«
Marie wischte sich fahrig über die Augen. » Nein, es ist alles in Ordnung, ich kann bei Gabriel bleiben. Ich schaff das schon, nur…« Sie schluckte. » Ich weiß eben nicht, ob das für meine Mutter okay ist, wenn ich jetzt öfter komme.«
Dr. Roth legte ihr eine Hand auf die Schulter. » Mach dir darum keine Sorgen.« Er sah sie eindringlich an. » Wir beide bekommen das zusammen in den Griff. Versprochen.«
Vor Erleichterung hätte Marie beinahe angefangen zu weinen. » Danke«, flüsterte sie. » Vielen Dank!«
Dr. Roth drückte ihre Schulter noch einmal kurz. Dann ließ er sie los und lächelte. » Nimm nur deine Medikamente, wie ich es dir gesagt habe. Und komm nächsten Montag wieder hierher. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht. Wenn etwas ist, kannst du jederzeit anrufen, in Ordnung?«
Marie nickte und ergriff seine zum Abschied ausgestreckte Hand. » Danke«, wiederholte sie. » Das mache ich bestimmt. Bis Montag, Dr. Roth.«
Neunzehntes Kapitel: Gabriels Bestie
Gabriel stand am Fenster und sah in die Dunkelheit hinaus, als Marie ins Wartezimmer trat. Sein Rücken war sehr gerade, und er wirkte noch immer angespannt. Marie war froh, dass sie bald wieder allein sein würden, damit sie ungestört reden konnten.
Beim Klang ihrer Schritte drehte er sich um. » Da bist du ja.« Er lächelte schief. » Gehen wir nach Hause?«
Marie nickte. » Unbedingt.«
Gemeinsam verließen sie die Praxis und machten sich auf den Weg durch die abendlichen Straßen zurück zu Gabriels Wohnung. Immer wieder sah Marie Gabriel verstohlen von der Seite an. Sie hätte ihn zu gern sofort gefragt, was er von dem Verlauf der Hypnosesitzung hielt. Oder was ihn kurz zuvor so beunruhigt hatte. Aber Gabriel stapfte schweigend und mit nachdenklichem Gesicht voran und machte nicht den Eindruck, als wäre er besonders gesprächsbereit. Daher verkniff Marie sich ihre Fragen, so lange sie konnte. Erst als sie am S-Bahnhof standen und auf die Bahn warteten, hielt sie es nicht mehr aus.
» Sag mal, Gabriel… was war denn da in der Praxis?«
Gabriel zuckte kaum merklich zusammen, als
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