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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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sei er überrascht, dass sie ihn ansprach. Dann wandte er den Kopf und warf ihr einen langen, prüfenden Blick zu. » Was hast du Dr. Roth erzählt, Marie?«
    Marie runzelte die Stirn. Das war keine Antwort auf ihre Frage. Und da war ein seltsamer Unterton in Gabriels Stimme, der ihr gar nicht gefiel. Er kam ihr fast aggressiv vor. » Was meinst du?«
    Gabriel sah sich um, als wollte er sich versichern, dass niemand in der Nähe war, der ihnen zuhörte. Aber keiner der Menschen, die mit ihnen warteten, schien sich auch nur im Geringsten für sie zu interessieren. Davon abgesehen, dachte Marie, hätte sie bei dem Geheul des Windes, der eisig unter dem Dach der Station hindurchpfiff, sowieso niemand verstanden. Fröstelnd zog sie ihren Schal ein wenig fester um ihren Hals.
    » Was hat er gesagt, als du die Feen erwähnt hast?« Gabriel sah sie noch immer mit diesem eigentümlich eindringlichen Blick an.
    Marie hob verwirrt eine Augenbraue. Warum benahm er sich denn nun schon wieder so merkwürdig? Beinahe, als hätte sie ihm etwas getan. » Nichts Besonderes. Nur, dass sie wohl unterbewusste Symbole meiner Ängste sind oder so. Wieso?«
    Gabriel schnalzte gereizt mit der Zunge. » Also wenn das so ist, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass er dich angelogen hat.«
    Marie riss überrascht die Augen auf. » Was meinst du damit?« Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Tonfall nun auch ein wenig aggressiv geriet. » Kannst du dich mal ein bisschen deutlicher ausdrücken? Wieso sollte er lügen? Das glaube ich nicht.«
    Gabriel schüttelte den Kopf. Sekundenlang starrte er auf die leeren Gleise unterhalb des Bahnsteigs. » Wir sollten das wirklich nicht hier draußen besprechen.« Seine Stimme klang nun grimmig.
    Marie presste die Lippen zusammen. Vermutlich hatte er recht. Aber sie wollte nicht warten. Die Behauptung, Dr. Roth wäre nicht ehrlich zu ihr gewesen, steckte ihr eiskalt in den Knochen. Wie kam Gabriel dazu, so etwas zu behaupten? Er kannte den Therapeuten doch kaum!
    » Großartig«, murmelte sie ärgerlich. » Erst beschuldigst du den einzigen Menschen, dem ich vertraue, er würde mich anlügen. Und dann willst du nicht darüber reden. Echt super.«
    Etwas blitzte in Gabriels Augen auf. Sein Kinn schob sich ein Stück nach vorn. » Der einzige Mensch, dem du vertraust«, wiederholte er nur. » Aha.«
    Marie ballte in den Jackentaschen die Fäuste. Sie war enttäuscht und wütend zugleich. Was sollte denn diese Geheimniskrämerei? Allmählich hatte sie genug davon, Gabriel alles aus der Nase ziehen zu müssen– obwohl es doch hier um ihre Schattenwesen ging! Am liebsten hätte sie ihn an den Schultern gepackt und geschüttelt, damit er ihr endlich sagte, was los war. Aber damit, dachte sie und biss die Zähne zusammen, sollte sie wohl wirklich besser warten, bis sie in seiner Wohnung angekommen waren.
    Auch Gabriel sagte jetzt nichts mehr. Er schwieg, während mit kreischenden Bremsen die Bahn einfuhr, und er schwieg immer noch, als sie bei der Sternschanze ausstiegen und durch die trotz der Dunkelheit noch immer dicht bevölkerten Straßen liefen. Marie versuchte nicht noch einmal, ihn anzusprechen. Aber sie war fest entschlossen, ihn nicht so einfach davonkommen zu lassen. Bis zu ihm nach Hause würde sie warten. Und nicht eine Minute länger.
    » Du vertraust mir doch auch nicht!«, sagte sie, kaum dass sich die Tür von Gabriels Wohnung hinter ihnen geschlossen hatte.
    Gabriel drehte sich nicht zu ihr um. Zielstrebig ging er zum Fenster hinüber, ließ Schal und Mantel im Vorbeigehen auf das Sofa fallen und nahm von dem Stapel neben seinem Bett eine leere Leinwand, um sie auf die Staffelei zu stellen. Seine Bewegungen wirkten abgehackt und ein wenig fahrig.
    Marie schluckte und zwang sich, einen Schritt näher zu treten. » Du willst mir doch nicht mal erzählen, wie dein Schatten aussieht. Du kennst alles von meinem Schatten, aber über dich willst du mir nichts verraten. Und dann erwartest du, dass ich es einfach so hinnehme, wenn du sagst, dass Dr. Roth lügt? Er hat mir immer geholfen, mein Leben lang! Wenn du irgendwas Komisches an ihm bemerkt hast, das ich nicht sehen kann, dann sag es doch einfach!«
    Gabriel antwortete immer noch nicht. Seine Hände hatten sich um den Rahmen der Leinwand auf der Staffelei verkrampft. Er atmete schwer. Die Sehnen an seinem Handrücken traten scharf hervor, und Marie glaubte sogar, das Blut in seinen Venen pulsieren sehen zu können.
    Etwas in ihrem Inneren

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