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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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zitterte.
    » Gabriel… ist alles okay?«
    » Was hat er dir gegeben, Marie? Ich spüre es, Dr. Roth hat dir was gegeben.« Die Worte waren kaum mehr als ein tiefes Grollen– kehlig, rau und fremd.
    Marie zuckte zurück. Unwillkürlich tastete ihre Hand nach ihrer Tasche. Wie war das möglich? Meinte Gabriel etwa das Schlafmittel, das sie von Dr. Roth bekommen hatte? Aber wie konnte er davon wissen?
    » Nichts«, flüsterte sie.
    Sie hatte es kaum ausgesprochen, als Gabriel herumfuhr und auf sie zusprang. Mit einem Satz war er bei ihr und drängte sie zurück, sodass sie stolperte und rückwärts über die Armlehne des Sofas fiel. Erschreckt schrie Marie auf, doch der Aufprall, als Gabriel mit seinem vollen Gewicht auf sie stürzte, presste ihr sämtliche Luft aus dem Brustkorb.
    Marie hörte, wie etwas mit einem dumpfen Laut auf den Teppich fiel und unters Sofa rollte, doch sie wagte nicht, sich zu rühren, um nachzusehen, was es war. Gabriel lag keuchend auf ihr. Sein Atem streifte heiß ihr Ohr.
    » Tut mir leid«, wisperte er, und Marie spürte, wie seine Finger sich um ihre Schulter verkrampften. » Tut mir leid… es tut mir so leid!«
    Er stemmte sich in die Höhe, eine Hand auf jeder Seite ihres Kopfes, und sah auf sie herunter. In seinen Augen flackerte es.
    » Bitte…«, wisperte er tonlos. » Ich wollte das nicht. Das war nicht ich! Das war mein Schatten, er ist so aufgeregt seit dem Besuch bei deinem Arzt. Bitte, hab jetzt keine Angst vor mir…«
    Marie starrte ihn von unten herauf an. Sie wagte nicht, sich zu rühren. Angst? Ja, tatsächlich sah er zum Fürchten aus mit diesem gehetzten Blick, der nicht von ihm zu kommen schien, sondern von seinem Schattenwesen. Aber gleichzeitig war er immer noch der Gabriel, den sie kannte– auf eine wilde, verzweifelte Weise. Nein, er würde ihr nichts tun. Langsam schüttelte sie den Kopf, obwohl ihr Herz klopfte wie rasend.
    Gabriel stieß einen Seufzer aus. Dann rutschte er von ihr herunter und blieb neben dem Sofa hocken. Seine Finger streiften kurz Maries Handrücken.
    » Vergiss alles, was ich seit dem S-Bahnhof gesagt habe. Ich will mit dir reden, über alles– ehrlich! Ich bin gerade nicht ganz bei mir, aber ich schwöre dir, es ist bald vorbei.« Jetzt klang seine Stimme wieder wie immer, obwohl seine Hände zitterten wie Espenlaub. » Verstehst du, ich muss mir über etwas Bestimmtes Gewissheit verschaffen. Vielleicht täusche ich mich, aber ich habe eine Vermutung, was deinen Doktor betrifft. Ich muss herausfinden, ob ich recht habe. Und dann erzähle ich es dir. Versprochen.«
    Marie nickte stumm. Sie fühlte sich nicht in der Lage, Gabriel zu widersprechen. Es war merkwürdig, dachte sie, wie sehr man sich daran gewöhnen konnte, dass unglaubliche Dinge geschahen. Schließlich hatte sie gerade erlebt, wie Gabriels Schattenkreatur von ihm Besitz ergriff, dass sie für dieses merkwürdige, aggressive Verhalten verantwortlich war– und sie schaffte es nicht einmal, sich zu fürchten. Sie war einfach nur froh, dass sie es jetzt wusste.
    Gabriel warf einen schnellen Blick zur Staffelei hinüber. » Ich kann das, was ich vermute, nur herausfinden, wenn ich ein Bild male. Das wird sicher die Nacht über dauern. Versuch am besten, zu schlafen. Wenn ich male, bin ich keine besonders angenehme Gesellschaft, fürchte ich. Falls ich überhaupt ansprechbar bin, denn da bin ich mir nicht sicher. Vermutlich werde ich dich einfach gar nicht mehr wahrnehmen.«
    Marie presste kurz die Lippen zusammen. Ihr Herz klopfte noch immer wie rasend. » Ist gut«, flüsterte sie.
    Gabriel schloss die Augen und atmete tief durch. Dann stand er auf. » Mach ruhig das Licht aus, wenn du schlafen willst. Ich brauche es nicht. Und wenn es geht, sprich mich ab jetzt besser nicht mehr an, in Ordnung?«
    » In Ordnung«, murmelte Marie. Gabriel nickte ihr noch einmal zu. Ein kleines, fast zaghaftes Lächeln leuchtete kurz in seinen Augen. Dann wandte er sich ab und griff nach seinen Pinseln.
    Vorsichtig setzte Marie sich auf, um besser sehen zu können. Gabriel grundierte die Leinwand mit geübten Bewegungen in einem bläulichen Weiß. Rein äußerlich war keine Veränderung an ihm zu erkennen, und doch… Marie fröstelte. Es war nichts Friedliches daran, wie er den Pinsel führte, nichts Entspanntes, so wie neulich, als er für sie Gitarre gespielt hatte– an jenem Sonntag, als sie zum ersten Mal hier gewesen war. Was geschah nur mit ihm, wenn er malte? War das der Einfluss seiner

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