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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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Bestie? Mehr als je zuvor wollte Marie nun wissen, was für eine Kreatur es war, die Gabriel folgte. Aber darauf, dass er ihr das sagte, würde sie wohl ewig warten müssen.
    Ein Funkeln am Rand ihres Sichtfeldes erregte ihre Aufmerksamkeit. Marie wandte den Kopf. Auf dem Teppich unter dem Sofa lag das Fläschchen, das sie von Dr. Roth bekommen hatte. Das Fläschchen, von dem Gabriel eigentlich nicht hätte wissen können. Behutsam, um nicht doch Gabriels Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, lehnte Marie sich zur Seite und griff nach dem Fläschchen. Es würde ihr beim Schlafen helfen, hatte Dr. Roth gesagt. Und auch Gabriel hatte ihr geraten zu schlafen. Nachdenklich drehte Marie das Fläschchen in der Hand und beobachtete, wie die Flüssigkeit darin hin und her schwappte. Dann sah sie wieder zu Gabriel hinüber. Ein bisschen sauer war sie trotz allem immer noch auf ihn. Erwartete er wirklich, dass sie das Vertrauen zu ihrem Therapeuten einfach so über Bord warf, nur weil er in der Praxis ein verstörtes Schattenwesen gesehen hatte? Marie dachte an den Jungen mit seiner Mutter, die vor ihnen in der Sprechstunde gewesen waren. Irgendeinen Grund musste es ja geben, warum es einem Menschen so schlecht ging, dass er eine Therapie brauchte. Und warum sollte so jemand kein verstörtes Schattenwesen haben? Für Marie klang das logisch– und je mehr sie darüber nachdachte, desto sicherer war sie, dass Gabriel einfach übertrieben hatte. Kein Wunder, nach allem, was heute passiert war. Und ein misstrauischer Mensch war er sowieso, das hatte Marie ja schon zur Genüge feststellen können.
    Vorsichtig stand sie auf, griff nach ihrem Rucksack und schlich hinüber ins Badezimmer.
    Als sie den Verschluss von der kleinen Flasche schraubte, drang ein süßlicher, leicht muffiger Geruch heraus. Marie schluckte einen leichten Würgereiz hinunter und ließ ein paar Tropfen in ihre Handfläche fallen. Die Flüssigkeit war rotbraun, dünn wie Wasser, und winzige schwarze Stückchen schwammen darin. Zögernd näherte Marie die Hand ihrem Mund und berührte die kleine Pfütze mit der Zunge. Sofort breitete sich der Geschmack über ihren Gaumen aus und kroch ihren Rachen hinunter. Aber nach dem ersten Schreckmoment schmeckte es gar nicht so ekelhaft, wie Marie befürchtet hatte. Noch einmal hielt sie das Fläschchen gegen das Licht. Drei Tropfen. Direkt auf die Zunge. Und sie würde ganz sicher ruhig schlafen können. Gabriel musste ja nichts davon wissen.
    Ein nervöser Schauer rann kribbelnd über Maries Rückgrat, und sie schüttelte den Kopf, um ihn loszuwerden. Nein, dachte sie. Sie konnte das nicht. Hastig schraubte sie das Fläschchen wieder zu und warf es in ihren Rucksack. Dann drehte sie den Wasserhahn weit auf, spülte sich den Mund, putzte länger als sonst ihre Zähne und spülte ihren Mund noch einmal aus, bis nichts mehr von der schweren Süße des Mittels zu spüren war. Dann nahm sie wie jeden Abend die Tabletten, die Dr. Roth ihr seit Jahren verordnete. Aber selbst das fühlte sich heute irgendwie komisch an. Marie schüttelte sich, um diese Gedanken loszuwerden. Schnell schlüpfte sie in die Shorts und das T-Shirt, in denen sie schlief, und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Sie wusste überhaupt nicht mehr, was sie glauben sollte. Woher kam ihre plötzliche Angst?
    Neben der Badezimmertür ließ sie ihren Rucksack fallen und sah zur Staffelei hinüber. Gabriel war völlig in seine Malerei versunken. Weder wandte er sich um, noch ließ er auf andere Weise erkennen, ob er überhaupt bemerkte, dass sie nicht mehr auf dem Sofa saß. Die Leinwand war inzwischen großflächig mit düsteren Farben bemalt, die ein unangenehmes Ziehen in Maries Magengegend hervorriefen. Hastig ging sie zur Wohnungstür hinüber, um das Licht auszuschalten. Gabriel hatte gesagt, er würde es nicht brauchen. Und Marie wollte wirklich nichts mehr von dem sehen, was dort am Fenster geschah. Zitternd tapste sie zum Bett hinüber und wickelte sich fest in Gabriels Decke. Sein Geruch, der in den Daunen des Federbettes hing, beruhigte ihre Nerven ein wenig. Vielleicht sollte sie einfach ewig hier liegen bleiben, dachte sie, drehte sich auf die andere Seite und kniff die Augen zusammen, um nicht ständig zu der schmalen Silhouette am Fenster sehen zu müssen. Sie wollte nicht noch mehr schreckliche Dinge erleben, wollte nicht, dass noch mehr von dem Leben, das sie gekannt hatte, in Stücke zerbrach.
    Schwere Schläfrigkeit fiel über sie, ohne dass sie es

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