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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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Kindheitserinnerungen werden später von neuen Erfahrungen überlagert. Kein Grund, sich deswegen Sorgen zu machen.«
    Marie biss sich auf die Unterlippe und sah noch einmal zu Gabriel hinüber. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, Dr. Roth zu sagen, dass es sich bei der Stadt, die sie in der Hypnose gesehen hatte, um die gleiche handelte wie die, aus der die Feen kamen. Aber zum ersten Mal seit langer Zeit zögerte sie, ihrem Therapeuten die Wahrheit einzuschenken. Sie hatte Dr. Roth ihre Träume bisher nicht ausführlich geschildert– und nach dem kurzen Blickkontakt mit Gabriel hatte sie plötzlich das unangenehme Gefühl, es könnte falsch sein, wenn er erfuhr, dass der Ursprung der Feen, nach dem sie ja mittels Hypnose hatten suchen wollen, an Maries geheimem Zufluchtsort aus Kindertagen lag. Nur dass dieser Ort inzwischen anscheinend schrecklich verfallen und vergiftet war.
    Dr. Roth wartete eine Weile, ob sie noch etwas sagen würde. Dann legte er ihr sanft die Hand auf die Schulter. » Belassen wir es für heute dabei«, sagte er ruhig und lächelte freundlich. » Du darfst dich zu nichts drängen. So eine Therapie braucht Zeit, das weißt du ja. Schritt für Schritt, einverstanden? Und keine Angst. Dir kann nichts passieren.«
    Marie nickte– und nun tat es ihr schon wieder leid, ihrem Therapeuten misstraut zu haben, selbst wenn es nur innerlich gewesen war.
    Dr. Roth erhob sich und wandte sich an Gabriel. » Ich danke dir vielmals, dass du sie begleitet hast. Du hast ihr damit sicher sehr geholfen, sich zu entspannen.«
    In diesem Moment hätte Marie fast gelacht. Tatsächlich war sie in Dr. Roths Praxis noch nie so unentspannt gewesen wie heute. Und sie brannte geradezu darauf, endlich mit Gabriel über alles sprechen zu können, was an diesem Tag passiert war. Sonst würde sie bald explodieren.
    » Ich danke Ihnen auch.« Gabriel stand nun ebenfalls auf und schüttelte dem Therapeuten die Hand. Seine Bewegungen waren immer noch ein bisschen steif, dachte Marie beunruhigt. Aber vielleicht lag das auch nur am Sitzen auf dem Hocker? Wie spät war es eigentlich? Draußen war es inzwischen dunkel, dabei hätte sie schwören können, dass die Hypnose keinesfalls länger als fünf Minuten gedauert hatte.
    » Ich würde dann allerdings gern noch kurz mit Marie allein sprechen«, fuhr Dr. Roth fort. » Wärst du so nett, dich so lange noch einmal ins Wartezimmer zu setzen?«
    Marie sah, wie Gabriel kurz die Lippen aufeinanderpresste. Dann aber nickte er. » Na klar. Kein Problem.«
    Dr. Roth lächelte. » Vielen Dank.«
    Gabriel warf noch einen schnellen Blick zu Marie hinüber, und wieder sah sie die Warnung in seinen Augen. Unruhig knibbelte sie an ihren Fingernägeln. Wieder musste sie daran denken, wie er vor der Sitzung zur Decke gestarrt hatte, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht nach oben zu sehen. Sie würde ja sowieso nichts erkennen. Dann schloss Gabriel die Tür hinter sich.
    Dr. Roth nahm wieder in seinem Sessel Platz. Seine hellen Augen musterten Marie aufmerksam. » Ein interessanter junger Mann«, bemerkte er und lächelte verschmitzt. » Wie kommt es, dass du ihn noch nie erwähnt hast?«
    Marie spürte, wie ihre Ohren heiß wurden. » Ich kenne ihn noch nicht so lange.«
    Ihr Therapeut nickte verständnisvoll. » Aber du vertraust ihm. Das freut mich. Hast du ihm auch von den Feen erzählt?«
    Marie biss sich auf die Unterlippe. Es drängte sie, dem Doktor von den Schattenkreaturen zu berichten, die Gabriel sehen konnte. Aber dieses Geheimnis musste sie natürlich erst recht für sich behalten– wer davon erfuhr, war ganz allein Gabriels Sache. Schon wieder etwas, das sie dem Doktor nicht verraten durfte. Dabei hätte er doch bestimmt Verständnis dafür.
    » Ja«, antwortete sie zögernd. » Er weiß, wie es mir damit geht.«
    Dr. Roths Augen verengten sich kurz. » Das ist schön zu hören.« Er faltete die Hände im Schoß und neigte sich ein Stück vor. » Also gibt es nichts mehr, was du mir unter vier Augen sagen möchtest? Was er lieber nicht hören soll?– Ich frage nur, weil du eben ein wenig angespannt wirktest.«
    Marie schluckte. Es war schwer, der Versuchung zu widerstehen, und es fühlte sich falsch an, ihrem Therapeuten zu verschweigen, was ihr auf der Seele lastete. Aber sie wollte auch nicht hinter Gabriels Rücken über Dinge sprechen, mit denen er sich viel besser auskannte als sie. Außerdem wusste sie ja noch gar nicht, was wirklich los war. Sie musste mit

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