Als die Tiere den Wald verließen
der kein bißchen abgenommen hatte.
»Im Moment nicht, das stimmt«, gab der Fuchs zu. »Aber bestimmt kann es nicht ewig so weitergehen. Der Verkehr muß früher oder später nachlassen.« »Und dann willst du es riskieren hinüberzugehen?« fragte der Turmfalke überrascht. »Was sollen wir denn sonst tun?« wollte der Fuchs wissen. »Dieser schmutzige Grünstreifen hier ist nicht gerade das, was ich mir unter einem Zufluchtsort vorstelle. Wir müssen in kleineren Gruppen hinübergehen, wenn Lücken zwischen den Autos auftreten.« Der Turmfalke schüttelte den Kopf. »Ich frage mich ernstlich, ob ihr dafür - abgesehen vom Hasen - schnell genug rennen könnt. Vergeßt nicht, daß die Autobahn dreimal so breit ist wie eine normale Straße und daß die Autos, die zuerst weit weg zu sein scheinen, in Sekundenschnelle da sind. Ihre Geschwindigkeit ist für uns Tiere unvorstellbar.«
Der Fuchs runzelte besorgt die Stirn. »Wir haben keine andere Wahl«, sagte er ernst.
»Ich glaube, ich kann mich da nützlich machen«, sagte der Pfeifer. »Wenn es notwendig werden sollte, kann ich mich bei den kleineren Tieren als Träger betätigen und sie in meinem langen Schnabel hinüberbringen.« »Ein ausgezeichneter Gedanke!« rief der Fuchs. »Aber wir können erst anfangen, wenn dieser schreckliche Verkehr ein wenig nachläßt. Es sieht so aus, als gäbe es überhaupt keine Lücken.«
Die Tiere saßen da und schauten bestürzt dem ununterbrochenen Verkehrsstrom zu. Die Luft war voll Benzingestank. Ein paar der jungen Kaninchen- und Hasenkinder wurde übel.
Der Turmfalke flog auf, um seinen Platz auf der Böschung wieder einzunehmen.
»Warum sollte ich eigentlich warten?« erkundigte sich der Pfeifer und begann, leicht mit seinem verletzten Flügel zu schlagen, als wolle er sich auf den Abflug vorbereiten. »Ich kann die Kleinen sofort von ihrer Qual erlösen?«
»Wo willst du sie hinbringen?« fragte der Fuchs. »Ich setze sie oben auf der gegenüberliegenden Böschung ab«, antwortete der Reiher. »Dort sind sie sicher, und die Luft ist etwas besser.« »Gut«, sagte der Fuchs. »Kaninchen, Hase, macht eure Kleinen bereit!«
»Ich muß sie einzeln nehmen«, erklärte der Pfeifer und ging mit geöffnetem Schnabel auf das erste Kaninchen zu. Ausgesprochen vorsichtig hob er den kleinen, pelzigen Körper mit dem stumpfen Mittelteil seines Schnabels auf und flog zur gegenüberliegenden Böschung. So brachte er ein Tierchen nach dem anderen in Sicherheit. Der Waldkauz stand auf der anderen Seite Wache. »Ich kann die Sache genausogut zu Ende führen«, sagte der Reiher zum Fuchs und begann, die Wühlmäuse und die Feldmäuse ebenfalls hinüberzuschaffen. Durch das ständige Hin- und Herfliegen des Reihers nahmen die Tiere auf der Insel immer mehr ab, bis schließlich nur noch der Fuchs und die Füchsin, der Dachs, der Maulwurf, die Kröte, das Wiesel, der Hase mit seiner Gefährtin und die erwachsenen Kaninchen, Eichhörnchen und Igel - also etwa die Hälfte der Tiere - übriggeblieben waren.
Der Fuchs sah sich beifällig um. »Wir machen Fortschritte«, sagte er.
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte der Pfeifer. »Komm, Kröte - du bist als nächste dran!« Der Maulwurf folgte der Kröte, und dann kam das schlanke, leichtgewichtige Wiesel. Die Eichhörnchen, erklärte der Reiher, könne er gerade noch schaffen, aber dann müsse er sich geschlagen geben. Die Tiere waren jetzt in drei kleine Grüppchen aufgeteilt. Auf der einen Seite waren der Turmfalke und die Kreuzotter; in der Straßenmitte warteten die Igel, die erwachsenen Kaninchen und Hasen, der Fuchs, die Füchsin und der Dachs, und auf der anderen Seite hatten sich all die jüngsten, kleinsten und leichtesten Tiere versammelt, bewacht vom Waldkauz und vom Pfeifer.
Eine Zeitlang blieb die Lage unverändert. Dann ließ der Verkehr etwas nach, und zwischen den Autos entstanden kleinere Lücken.
»Hase, mach dich bereit!« befahl der Fuchs. »Da kommt eine größere Lücke.«
Der Hase und seine Gefährtin schlüpften unter der Leitplanke durch und bereiteten sich darauf vor, wie der Blitz hinüberzurennen. Sobald das letzte Auto auf ihrer Höhe war, rasten sie über die drei Fahrspuren und stürzten mit gleichbleibender Geschwindigkeit die Böschung hinauf zu den anderen. Bevor die nächsten Autos vorbeikamen, waren sie oben angekommen. »Du und die Füchsin, ihr müßt als nächste gehen!« sagte der Dachs zum Fuchs. »Ihr seid schneller als ich. Ich muß vielleicht noch eine
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