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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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Alan schwieg.
    Nur zehn Tage! Nur noch zehn Tage für den Garten! »Ich glaube, vielleicht hab ich Fieber und es sind die Masern«, sagte Tom. Denn selbst mit Masern würde er jede Nacht in den Garten hinuntergehen, in jenen Extrawochen, in denen die Krankheit sich austobte.
    »Ich seh anfangs nie den Quecksilberfaden«, sagte Tante Gwen. Sie drehte das Thermometer hin und her; dann, endlich, hielt sie es still. »Nein, Tom, du hast kein Fieber, also auch keine Masern. Jetzt fällt dir sicher ein Stein vom Herzen? Bald geht's nach Hause.«
    »Aber –«
    »Ja, Tom?«
    Er wagte es nicht zu sagen, aber plötzlich hatte er das Gefühl, dass er nicht nach Hause wollte. Er wollte nichts sehnlicher als hier bleiben – hier, wo er den Garten besuchen konnte. Zu Hause schien jetzt in weiter, weiter, nebliger Ferne; selbst Peter war ein Junge in der Ferne, mit dem er nur Briefe austauschen und nie spielen konnte. Die Jungen, die ihm jetzt näher standen, hießen Hubert und James und Edgar – besonders James. Da war auch noch ein Mädchen – aber eben nur ein kleines Mädchen. Wie hieß sie noch mal? Hatty …

Die Vettern
    H ubert war der älteste der drei Jungen, die Tom im Garten gesehen hatte. In seinem Brief an Peter hätte er Hubert vielleicht gar nicht als Jungen bezeichnen sollen, er war eher ein junger Mann. Entlang der Oberlippe wuchsen ihm bereits einige dunkle Haare, die er manchmal begehrlich und stolz betastete. Er war bereits so groß wie ein erwachsener Mann, auch wenn er noch keineswegs die dazugehörige Leibesfülle hatte.
    Auch James und selbst Edgar waren älter als Tom. James' Stimme war ein sanftes, zögerliches Brummen, schwirrte jedoch manchmal mitten im Satz zu seiner Bestürzung empor zu einem krächzenden Sopran. »Oh!«, sagte er dann, verstummte und lief rot an, sogar wenn nur seine Brüder dabei waren.
    Der dritte Bruder, Edgar, hatte scheckiges Haar und scheckige braune Augen, die sich erstaunlich flink bewegten und denen nichts entging. Auch redete er schnell und mit scharfer Zunge. Tom mochte Edgar am wenigsten von den dreien, obwohl er ihm vom Alter her am nächsten war.
    Die drei waren eines Tages vom Haus in den Garten gekommen, als Tom bereits da war. Ihnen folgte ein kleines Mädchen in einem blauen Rüschenkleid mit offenem Haar, das über ihre Schultern herabfiel. Das Wort, das einem zum Gang dieses Kindes einzig einfiel, war »Traben«. Sie trabte hinter ihnen her, dann drehte sie einen Bogen um die Gruppe – was durchaus lästig werden konnte –, beobachtete sie und belauschte, was sie miteinander besprachen. Sie sprachen von einer Rattenjagd, zu der sie an diesem Abend gehen wollten; natürlich nach Einbruch der Dunkelheit. Bertie Codling würde da sein, und auch der junge Barty würde vielleicht kommen; und sie würden eine Windlaterne mitnehmen und auch ihr Luftgewehr; und war es nicht schade, dass nicht jeder von ihnen ein Luftgewehr besaß ansatt alle drei nur eines gemeinsam.
    Tom, unter den nahen Bäumen stehend, lauschte begierig; und das kleine Mädchen umkreiste sie wieder und wieder.
    »Lasst uns Hatty abhängen!«, sagte Hubert plötzlich und setzte seine Worte sogleich in die Tat um, wobei ihn seine langen Beine mit jedem Laufschritt weit davontrugen. Auch James jagte lachend von dannen, und Edgar folgte ihm. Hatty, als ob sie es gewohnt wäre, so behandelt zu werden, trabte bereits hinter ihnen her, als Edgar sich umwandte und ihr weit ausholend die Haselnussgerte vor die Füße warf, die er in der Hand gehalten hatte. Er traf sie nicht – das wollte er eigentlich auch nicht; doch sie stolperte darüber. Sie fiel mit dem Gesicht ins Gras und begann zu weinen.
    James hörte sie, kehrte um und half ihr auf. Dabei schüttelte er sie, doch sanft, und sagte: »Du Tollpatsch – du dummer kleiner Tollpatsch!« Tom, wenn er gerecht sein wollte, konnte nicht sehen, was denn so dumm daran sein sollte, über etwas zu stolpern, das ihr plötzlich vor die Füße geworfen wurde.
    »Was wird Tante sagen?«, weinte Hatty und deutete auf die grünen Grasflecken auf ihrem Rüschenkleid.
    James klopfte sie mit den Händen ab, doch natürlich wurde es dadurch auch nicht besser. Plötzlich schien er die Geduld zu verlieren. »Warum bist du eigentlich hingefallen? Du solltest aufpassen, wo du hinläufst! Ich kann dir nicht helfen – ich geh jetzt wieder zu den andern!« Er ließ sie stehen und floh zwischen die Bäume.
    Hatty folgte ihm, leise schluchzend, doch gedankenverloren. Sie

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