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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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ein »Oh!« des Entsetzens, das er selber spürte. Es kam von oben – vom Fenster eines der oberen Zimmer.
    Dann krachte die Tanne auf die Erde, und wie Tom erst viel später erfuhr, streckte sie sich bis zu den Spargelhügeln des Küchengartens. Sie fiel in die Dunkelheit und das neuerliche Tosen des Windes und des Regens. Tom war erschüttert von dem, was er gesehen und gehört hatte. Er ging zurück ins Haus und schloss die Gartentür hinter sich. Drinnen tickte friedlich die Standuhr; der Hausflur war stumm. Hatte er sich nur eingebildet, was er draußen gesehen hatte? Er öffnete noch einmal die Tür und sah hinaus. Immer noch tobte der Sommersturm. Die Blitze leuchteten jetzt aus der Ferne und warfen ihr Licht auf die hässliche Lücke zwischen den Bäumen, dort, wo die Tanne gestanden hatte. Der Baum war umgestürzt, der Anblick war schrecklich genug gewesen; doch was Tom noch mehr beunruhigte, war der Schrei, der von oben gekommen war.
    In der Nacht darauf erlebte er einen noch größeren Schreck. Er öffnete wie immer die Gartentür und ließ die Augen über den Garten wandern. Zunächst war ihm nicht klar, was so merkwürdig war an seiner Erscheinung; dann erkannte er, dass seine gewöhnliche Erscheinung selbst das Merkwürdige war. Zwischen den Bäumen um den Rasen gab es keine Lücke, die efeubewachsene Tanne ragte immer noch über sie empor.

Bericht an Peter
    N ur wenn man die Zeit zurückdreht«, antwortete Onkel Alan beiläufig auf Toms letzte Frage.
    Tom kritzelte mit dem Füller eine Zeichnung auf den Rand des Briefes, den er an Peter schrieb: ein Zifferblatt, unter das er ein hohes, rechteckiges Gehäuse setzte – eine richtige Standuhr. Er brauchte noch ein paar Minuten dafür; dann wandte er sich erneut dem Onkel zu.
    »Welche Zeit?«
    »Was meinst du, Tom?«
    »Du hast gesagt, ein Baum könne nicht das eine Mal umgeweht auf dem Boden liegen und das andere Mal dastehen wie zuvor, außer man dreht die Zeit zurück. Welche Zeit?«
    »Oh, keine bestimmte Zeit.« Tom kritzelte seine Standuhr zu Ende. »Das sagt man einfach so, Tom – ›die Zeit zurückdrehen‹. Das heißt, die Vergangenheit noch einmal zu erleben, und das kann niemand. Das lässt die Zeit nicht mit sich machen.«
    Der Onkel wandte sich wieder seinem Buch zu und Tom begann auf einer anderen Ecke des Briefbogens herumzukritzeln. Nach einer Weile fiel ihm auf, dass er eine Art Engel gezeichnet hatte, mit Flügeln an den Schultern und breitbeinig dastehend. Er hatte dieses Wesen ganz in Gedanken versunken gezeichnet, und jetzt sah er bestürzt auf sein eigenes Werk. Er hatte keine Ahnung, wie ihm diese Gestalt in den Kopf gekommen war. Dann fiel ihm ein, dass sie zur Standuhr gehörte, und so malte er auch diese dazu.
    »Was ist denn eigentlich die Zeit, Onkel Alan?«, fragte Tom schließlich.
    Der Onkel legte das Buch nun endgültig beiseite; auch die Tante legte nervös ihr Flickzeug weg.
    »Tom«, sagte sie, »du solltest deinem Onkel nicht immer so merkwürdige Fragen stellen. Er hat den ganzen Tag gearbeitet und ist müde.«
    »Nein, nein, Gwen. Die Fragen eines Kindes sollten immer beantwortet werden. Alles, was ich gegen Toms Fragen einwenden würde, ist, dass sie so zusammenhanglos daherkommen und manchmal auch nicht ernst gemeint sind. Nimm mal seine erste Frage: ob es möglich wäre, durch eine Tür zu gehen – er hat tatsächlich gefragt, wie es möglich wäre!«
    »Gut!«, rief Toms Tante, ganz erleichtert, weil sie nicht auf den ersten Teil des Gesprächs geachtet hatte. »Gut, das scheint ein sehr vernünftiger Gedanke zu sein – so vernünftig, dass er fast dusslig ist.«
    Alan Kitson zog die Augenbrauen hoch und seine Frau fuhr hastig fort: »Du weißt, was ich meine – durch eine Tür gehen ist doch etwas ganz Alltägliches.«
    »Nicht, wenn die Tür geschlossen ist… Und dann hat Tom gefragt, wie es mit der Unsichtbarkeit sei – der Unsichtbarkeit - eines Menschen wie er selbst.«
    »Manchmal, im Märchen –«, setzte Tante Gwen an.
    Tom schüttelte entrüstet den Kopf.
    »Und schließlich«, fuhr der Onkel fort, »haben wir diese Frage, ob ein Baum an einem Tag auf dem Boden liegen könne und dann, am nächsten Tag, gegen alle bekannten Naturgesetze –«
    »Es war ein Traum!«, unterbrach ihn Tante Gwen. »Nur ein haarsträubender Traum, nicht wahr, Tom?«
    »Nein, war es nicht!«, rief Tom leidenschaftlich. »Es war Wirklichkeit!«
    »Hört, hört«, sagte Onkel Alan langsam und genüsslich.
    »Also hat es

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