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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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diesen Baum wirklich gegeben! Sag uns, wo, Tom, und wann. Wo und wann, Tom?«
    Tom blieb stumm. Er stocherte mit dem Füller in einer Reihe tintener Löcher am Blattrand.
    »Komm schon, Tom!«
    »Es war ein Märchenbaum!«, sagte Tante Gwen, mit hilfloser Ausgelassenheit zu ihrem ersten Vorschlag zurückkehrend.
    »Koboldholzfäller haben ihn umgesägt, nicht wahr, Tom?«
    Onkel Alan lächelte und griff wieder nach seinem Buch. »Ich würde meinen, du hast am Ende doch Recht, Gwen.«
    »Er ist in einem Sturm umgestürzt«, sagte Tom mit erstickter Stimme. »Der Blitz hat in ihn eingeschlagen.« Er sah seinen Onkel an, als ob er ihm am liebsten dasselbe Geschick an den Hals gewünscht hätte.
    Die Tante fing diesen Blick auf und sah, wie ihr Mann den Mund öffnete, um etwas zu sagen. Rasch griff sie erneut ein und trug diesmal den Sieg davon: »Und jetzt sollte Tom nichts mehr sagen, bevor er mit dem Brief an Peter fertig ist, und auch nicht unterbrochen werden.«
    Also wandte sich Tom wieder dem Brief zu und suchte Platz zum Schreiben zwischen seinen Kritzeleien und Federstrichen.
    »… alles, was ich dir geschildert habe, ist wahr«, schrieb er, »das mit der Tür und mit der Unsichtbarkeit und der Tanne. Das alles ist ganz unheimlich, aber es stört mich nichts daran, außer vielleicht, dass ich für alle unsichtbar bin. Zum Beispiel sind einmal drei Jungen in den Garten gekommen. Sie heißen Hubert und James und Edgar. Edgar ist ungefähr so alt wie ich, aber ich glaube, James kann ich besser leiden. Da ist auch ein Mädchen, das hinter ihnen hertrottet. Es ist sehr jung und heißt Hatty oder so ähnlich …«
    Scheinbar ohne die Aufmerksamkeit vom Buch abzuwenden, verkündete Onkel Alan: »Es hat keinen Zweck, einen ellenlangen Brief an jemanden zu schreiben, der sich von den Masern erholt. Nach den Masern muss der Patient besonders darauf achten, seine Augen nicht übermäßig anzustrengen.«
    »Wenn Toms Brief zu lang ist für Peter, dann wird ihn doch sicher die Mutter für ihn vorlesen«, sagte Tante Gwen.
    Aufgeschreckt schrieb Tom »PERSÖNLICH« in großen Großbuchstaben über den Kopf des Briefes, faltete ihn sorgfältig zusammen und schrieb »Peter – PERSÖNLICH« auf beide Seiten. Er musste ihn wieder auffalten, um zu unterschreiben, denn das hatte er in seiner Panik ganz vergessen. Dann steckte er den Brief in einen Umschlag, adressierte ihn und schrieb »VERTRAULICH« in die obere linke Ecke.
    Er bemerkte, dass die Augen seines Onkels ihn milde amüsiert über den Rand des Buches hinweg beobachteten. Tom war trotzig zu Mute. Er fuhr mit der Zunge über den Briefumschlag und klebte ihn zu. Dann zeichnete er die Umrisse seines langen Katers über den Rand der festgeklebten Klappe. Wie ein Siegel schützte er den Brief gegen alle, die sich daran zu schaffen machen wollten. Unter den Kater schrieb Tom: N. D. L. V.
    Onkel Alan holte seine Brieftasche hervor. »Hier ist eine Briefmarke für deinen bedeutenden Brief.« Tom dankte ihm steif.
    Der Brief war geschrieben und nun hatte Tom nichts mehr zu tun. Er beschied sich damit, geduldig zu warten, bis es Zeit fürs Bett war. Früh zu Bett zu gehen hatte eigentlich keinen Sinn: Er konnte ohnehin nicht in den Garten hinuntergehen, bevor Onkel und Tante im Bett waren und schliefen.
    In Gedanken wanderte er in den Garten, wie so häufig in diesen Tagen. Er überlegte, wie gefährlich nahe dran er gewesen war, ihn zu verraten. Glücklicherweise hatten Onkel und Tante ihn nur ausgelacht; wenn sie aufmerksamer und einfühlsamer gewesen wären, hätte er sich vielleicht hinreißen lassen, mehr zu erzählen. Dann hätten sie womöglich sein Geheimnis entdeckt. Schon beim nächsten Mal hätten sie darauf bestanden, mit ihm zusammen in den Garten zu gehen …
    Bei dieser Vorstellung lief Tom ein kalter Schauer über den Rücken.
    »Geht es dir gut, Tom?«, fragte seine Tante.
    »Ja, danke, Tante Gwen.«
    Dennoch holte sie das Fieberthermometer heraus und er musste es in den Mund stecken. »Du zitterst ja richtig, als ob du Schüttelfrost hättest.«
    Tom schüttelte den Kopf.
    »Ich hoffe, das sind nicht die Masern, Tom. Das hieße, du müsstest vielleicht noch einige Wochen hier bleiben anstatt nur zehn Tage.« Sie zog ihm das Thermometer aus dem Mund und hielt es ans Licht.
    »Nur zehn Tage?«, wiederholte Tom.
    »Ich weiß, du wirst dich danach sehnen, nach Hause zu kommen«, sagte Tante Gwen traurig; sie wollte ihn am liebsten noch länger dabehalten. Onkel

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