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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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mehr aus der Küche zu borgen, weil sie so scharf sind und ich mich schneiden und mir wehtun könnte. Und wenn ich ihm verspräche, den Bogen und die Pfeile zu verbrennen und die Küchenmesser nicht mehr zu benutzen, dann, sagte er, würde er mir ein kleines Messer für mich allein schenken.«
    »Was für ein Messer?«
    Sie zog die Faust aus der Tasche und öffnete sie. In der Hand lag ein schlichtes kleines Taschenmesser, bunt bemalt und mit kleinen blauen Herzchen geschmückt. »Abel hat es auf der Kirmes gekauft, für Susan; aber sie wollte es nicht annehmen, weil es Unglück bringt, von seinem Schatz ein Messer zu bekommen. Und so hat er es mir geschenkt. Es ist ein gutes kleines Messer.« Sie wog es stolz in der Hand.
    »Mach es auf«, verlangte Tom. Hatty öffnete das Taschenmesser und hielt es ihm entgegen, sodass er die Klinge sehen konnte – es hatte nur eine.
    »Schön!«, sagte Tom kurz auflachend. »Verletzen kannst du dich mit dem Ding sicher nicht! Damit kannst du vielleicht Butter schneiden, und das ist auch schon alles.«
    Hatty betrachtete immer noch bewundernd den bunt bemalten Schaft und sagte: »Ich hab schon mehr als Butter damit geschnitten. Komm mit, ich zeig's dir.«
    Als hätte sie ihm ein Geheimnis zu verkünden, führte sie Tom mit einem Anflug von Stolz zu einer der Eiben – es war der Baum, den sie Matterhorn nannten – und zeigte ihm den Stamm. Dahinein geschnitzt waren die Anfangsbuchstaben »H. M.«, besser gesagt, halb eingekratzt, halb eingedrückt.
    Für welchen Nachnamen stand wohl »M«? Tom wollte nicht fragen, doch Hatty sagte schon: »Das heißt: ›Hatty Melbourne ist auf diesen Baum geklettert‹. Ich hab meine Anfangsbuchstaben mit dem Messer in alle Eiben geschnitzt – nur nicht in Tricksy, natürlich.«
    »Man soll überhaupt nichts in Bäume schnitzen«, sagte Tom, dem plötzlich wieder einfiel, dass er ja sauer war. »Das ist, als würde man seinen Müll in die Landschaft werfen.«
    Hatty riss die Augen auf, als ob sie nie etwas von Müll gehört hätte; und Tom sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie nicht glaubte, Schnitzen sei falsch, nicht an ihren Bäumen, und dass sie, wenn sie Lust hatte, es auch weiterhin tun würde, ohne es ihm zu sagen.
    »Und du kriegst nur Schwierigkeiten, wenn jemand diese Baumstämme sieht«, warnte sie Tom. »Sie sehen ›H. M.‹ und wissen, dass es deine Anfangsbuchstaben sind und dass du die Schuldige bist. Wenn ich mein Zeichen in einen Baum schnitzen wollte – was ich natürlich nie tun würde –, aber wenn ich wollte, würde ich ein Geheimzeichen nehmen.« Er erzählte ihr, dass er das Bild eines langen Katers nahm – für Tom Long.
    Hatty war neidisch. »Melbourne ist so ein blöder Name.«
    »Du heißt Hatty«, sagte Tom. »Du könntest einen Hut zeichnen.«
    Hattys Augen glitzerten.
    »Das heißt, natürlich besser nicht – ich hab dir ja gesagt, warum.« Plötzlich war er des Redens müde. »Lass uns etwas unternehmen«, sagte er.
    »Schön«, stimmte Hatty zu. Und so begannen sie wieder zu spielen, weltvergessen, als ob der Garten und ihr Spiel nie enden müssten.
    Das Bäumeklettern konnten sie einfach nicht bleiben lassen. Weil Hatty Tricksy bisher nicht geschafft hatte, brachte ihr Tom bei, wie man Baumstämme hinaufrobbt. Einfach war es nicht – und sie hatte Angst, sich die Kleider schmutzig zu machen, denn die Tante könnte es bemerken und sie bestrafen. Doch nach einer Weile lernte sie, wie man sich mit Armen und Beinen um den Stamm klammert und langsam nach oben robbt. Als sie Tricksy schließlich erobert hatte, war sie überglücklich. Sie dachten sich neue Spiele aus. Hatty entdeckte wilde Gerstenhalme im Gras und riss sie aus. Sie zeigte Tom, wie man den Fruchtstängel von der gräsernen Spitze knipst und ihn wieder einsetzt. Dann packte sie die Ähre mit einer Faust, schlug mit der anderen dagegen und rief: »Großmutter – Großmutter – spring aus dem Bett.« Bei dem Wort »spring« schlug sie besonders heftig zu, der Fruchtstängel sprang aus seinem grünen Bett und beide prusteten los vor Lachen.
    Gemeinsam jagten sie unter den Blättern der Erdbeeren nach kleinen Fröschen (»Abel sagt, sie saugen die Erdbeeren aus«) und ließen sie an einer anderen Stelle wieder davonhüpfen. Und einmal sahen sie eine Kröte in einem Hohlraum unter der Türschwelle des Gewächshauses – braun und matt wie der Stein selbst und vollkommen starr, nur der Atem ließ ihren Bauch an- und abschwellen.
    Sie triezten die

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