Als die Uhr dreizehn schlug
nach draußen.
Sie begann die Seiten gegen Ende des Buches durchzublättern und murmelte dabei vor sich hin: »- Titus – Philemon – Brief an die Hebräer – Brief des Jakobus – erster Petrusbrief – zweiter Petrusbrief – erster Johannesbrief – zweiter Johannesbrief – dritter Johannesbrief – Brief des Judas – OFFENBARUNG. Die Offenbarung ist das letzte Buch der Bibel.«
Hatty war jetzt bei den Kapiteln der Offenbarung des Johannes und Kopf an Kopf lasen sie darin. Ein leises Geräusch – das Knirschen von Schnee, der unter Sohlen zusammengedrückt wird – ließ sie aufmerken, neben den Haselnusssträuchern war Abel erschienen. Vielleicht war er gekommen, um das Feuer zu schüren; vielleicht – denn er trug einen Reisigbesen – kam er auch, um für Hatty den restlichen Schnee vom vereisten Teich zu kehren.
Verdutzt blieb er stehen.
Hatty sah die Verblüffung auf Abels Gesicht und missverstand sie: Sie dachte, er schaue auf die Bibel, während er Tom ansah – oder vielleicht Tom zusammen mit der Bibel. »Abel«, sagte Hatty aufgeregt, »hast du etwas dagegen? Wir – ich meine ich, natürlich –, ich wollte kurz etwas in der Bibel nachschlagen.«
Abel starrte sie immer noch an.
»Es tut mir sehr Leid, wenn du etwas dagegen hast«, sagte Hatty und sah ihn abwartend an.
»Nein … nein …« Abel schien sich zu einem Entschluss durchzuringen. »Denn es ist Wahrheit und Erlösung in diesem Buch. Wer dieses Buch liest – nein, der kann nicht ganz und gar verflucht sein.« Er berührte mit der Hand seine Stirnlocke, was Hatty wie eine unangebrachte Entschuldigung Vorkommen musste, doch Tom wusste, dass die Entschuldigung beabsichtigt war und ihm galt. Mit dieser Geste ging Abel davon, als wolle er nicht weiter stören.
Sie wandten sich wieder ihrer Suche in der Bibel zu, und jetzt fand Hatty das richtige Kapitel und die richtigen Verse:
1. Und ich sah einen andern starken Engel vom Himmel herabkommen; der war mit einer Wolke bekleidet, und ein Regenbogen auf seinem Haupt und sein Antlitz wie die Sonne und seine Füße wie Feuersäulen.
2. und er hatte in seiner Hand ein Büchlein aufgetan. Und er setzte seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde;
3. und er schrie mit großer Stimme, wie ein Löwe brüllt. Und da er schrie, redeten sieben Donner ihre Stimmen.
4. Und da die sieben Donner ihre Stimmen geredet hatten, wollte ich sie schreiben. Da hörte ich eine Stimme vom Himmel sagen zu mir: Versiegle, was die sieben Donner geredet haben; schreibe es nicht!
5. Und der Engel, den ich sah stehen auf dem Meer und auf der Erde, hob seine Hand auf gen Himmel
6. und schwur bei dem Lebendigen von Ewigkeit zu Ewigkeit, der den Himmel geschaffen hat und was darin ist, und die Erde und was darin ist, und das Meer und was darin ist, dass hinfort keine Zeit mehr sein soll.
Tom hörte auf zu lesen und sein Kopf schwirrte vor Wolken und Regenbogen und Feuer und Donner und es kam ihm alles recht überwältigend vor. Vielleicht war es dem unbekannten Zifferblattmaler vor so langer Zeit ebenso ergangen.
Freilich verstand Tom nicht den Sinn dessen, was er eben gelesen hatte, und das sagte er auch Hatty.
»Es ist schwierig«, stimmte Hatty ihm zu. »Ich glaube nicht, das jemand genau weiß, was das alles bedeutet. Das Buch der Offenbarung ist voller Engel und wilder Tiere und merkwürdiger Redewendungen. Es ist eben so.«
»Aber die Stelle am Schluss, ›keine Zeit mehr‹, was bedeutet das?«, fragte Tom hartnäckig nach. »Ich muss es wissen, es ist wichtig – es steht auf dem Pendel der Uhr und der Engel schwört es –, es wird keine Zeit mehr sein. Was meint er damit?«
»Vielleicht, wenn die letzte Posaune ertönt – wenn das Ende der Welt kommt«, sagte Hatty, und auch das klang nicht sonderlich einleuchtend. Tom erkannte, dass sie ihm nicht weiterhelfen konnte. Schon hatte sie die Bibel zugeschlagen und war einen Schritt zurückgetreten, um sie ins Heizungshaus zurückzubringen. Ihre Augen wanderten hinüber zum Teich und leuchten auf – ja, Abel fegte das restliche Eis für sie.
»Keine Zeit mehr …«, murmelte Tom und dachte, alle Uhren der Welt würden aufhören zu ticken und würden auch nicht mehr schlagen, übertönt und für immer angehalten durch den Klang einer großen Posaune. »Keine Zeit mehr …«, wiederholte Tom. Und die drei Wörter schienen ihm beladen mit einer Fülle von Bedeutungen.
Hatty hatte die Bibel wieder
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