Als die Uhr dreizehn schlug
an ihren Platz zurückgelegt. »Kommst du mit zum Teich und schaust mir beim Eisläufen zu?«
»Nein«, sagte Tom. »Ich muss nachdenken.«
Ganz in Gedanken versunken wandte er sich von ihr und der kristallenen Schönheit des Gartens, den er so liebte, ab, kehrte ins Haus zurück und ging hinauf in sein Zimmer.
Zeit und noch einmal Zeit
D en Rest der Nacht zum Mittwoch verbrachte Tom im Bett, erst seinen Gedanken nachhängend, dann träumend – doch er träumte von den Dingen, über die er nachgedacht hatte, und seine Gedanken verknüpften sich mit anderen Gedanken, die aus den Tiefen seines Geistes heraufströmten. Er träumte, es sei seine letzte Nacht in diesem Haus. Er ging hinunter und wollte hinaus in den Garten, doch er sah, dass der Engel vom Zifferblatt herabgestiegen war und ihm – auf riesenhafte Größe angewachsen – den Weg mit einem Flammenschwert versperrte. Doch Tom ließ sich nicht aufhalten und schließlich trat der Engel beiseite und gab die Tür frei. Tom blickte hinaus und sah, dass der Garten verschwunden war und dass es draußen nur einen gepflasterten Hof mit Mülleimern gab, und mitten auf dem Hof stand die alte, uralte Mrs Bartholomew und sagte erzürnt: »Wer hat sich an der Zeit meiner Standuhr zu schaffen gemacht?« Dann wachte Tom auf und sogleich sanken all die seltsamen Traumbilder zurück auf den Grund seines Geistes und die Gedanken, Fragen und unvollendeten Überlegungen seiner wachen Stunden strömten herein.
Tom überdachte alles noch einmal: Keine Zeit mehr – der Engel auf der Standuhr hatte es geschworen. Doch sollte die Zeit jemals enden, dann hieße das, sie selbst wäre etwas Vergängliches. Man konnte sie vielleicht los werden, oder besser, ihr ein Schnippchen schlagen. Vielleicht konnte Tom selbst hinter den Rücken der Zeit huschen und die Vergangenheit -das heißt Hattys Gegenwart und den Garten – hier, jetzt und immer für sich haben. Um dies zu schaffen, musste er natürlich verstehen, wie die Zeit arbeitete.
»Was ist Zeit?«, fragte er Tante Gwen, als sie ihm die erste Tasse Tee ans Bett brachte. Und seine Tante, die glaubte, nicht richtig gehört zu haben, antwortete, es sei fast sieben Uhr.
»Was ist die Zeit – ich meine, wie funktioniert die Zeit?«, fragte Tom den Onkel beim Frühstück. Der Onkel erklärte jedoch, es gebe keine einfache Antwort auf diese Frage. Es gebe nur Theorien.
»Natürlich«, sagte Onkel Alan, »früher hat man gedacht …«, und Tom hörte aufmerksam zu und schien manchmal auch etwas zu verstehen, ein andermal war er sich sicher, dass er nichts verstand. »Aber die modernen Theorien über die Zeit«, sagte Onkel Alan, »die neuesten Theorien …«, und Tom begann sich zu fragen, ob Theorien in Mode kamen und dann wieder veralteten, wie Kleider, und dann fiel ihm ein, dass er ja gar nicht aufpasste, und er spulte seine Gedanken zurück, und wieder meinte er, etwas zu begreifen, und dann war er sich doch nicht sicher und verfiel in trübe Gedanken.
»Auch ich habe eine Theorie«, sagte Tom, während der Onkel einen Schluck Tee nahm. »Ich kenne einen Engel – ich weiß von einem Engel, der sagte, dass es einmal keine Zeit mehr geben wird.«
»Ein Engel!«, bellte der Onkel so markerschütternd, dass eine Menge Tee über seine Krawatte schwappte, und er wurde noch zorniger, weil er das Verkleckerte aufwischen musste. »Was zum Teufel haben Engel mit wissenschaftlichen Theorien zu tun?« Tom zitterte und wagte nicht zu erklären, dass dies mehr als eine Theorie war: die blendende Gewissheit eines Engels.
Er wünsche nicht weiter zu frühstücken, sagte Onkel Alan mit zornbebender Stimme. Zehn Minuten zu früh ging er aus dem Haus, schlug die Tür hinter sich zu und fuhr zur Arbeit.
Sobald er fort war, wandte sich Tante Gwen Tom zu: »Tom, das hättest du besser nicht gesagt.«
»Tja«, sagte Tom, »ich wusste nicht, dass er so wenig von Engeln hält.«
»Dein Onkel hat so viel Ehrfurcht vor Engeln wie alle andern, freilich am richtigen Ort dafür«, sagte Tante Gwen. »Aber wenn ihm jemand beim Frühstück widerspricht, bekommt ihm das gar nicht. Seine Nerven sind so früh morgens immer ein wenig angespannt und im Handumdrehen verliert er die Beherrschung und dann schlingt er das Frühstück in sich hinein oder lässt die Hälfte stehen. Das verdirbt ihm den Magen.«
»Tut mir Leid«, sagte Tom. Die Tante hatte gewisse Einsicht in die Wahrheit, allerdings in eine andere als die des Onkels.
Kaum war Alan Kitson an
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