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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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hatte er sich die Schlittschuhe immer auf einer Eisbahn in der Stadt ausgeliehen. Onkel und Tante hatten sicher keine, und es würde ihnen bestimmt sehr seltsam Vorkommen, wenn er in aller Eile Schlittschuhe kaufen wollte – mitten im Sommer.
    Dann kam Tom eine Idee – wie ein Licht, das über dem Eis aufblitzte –, eine seiner kühnsten Ideen.
    Mit ausgestreckten Armen bat er Hatty anzuhalten und ihm zuzuhören. »Hatty, wo bewahrst du deine Schlittschuhe auf, ich meine, wenn du sie nicht benutzt?«
    »Im Schuhschrank im Hausflur. Wenn der Winter zu Ende ist, öle ich die Gurte und fette die Kufen ein und wickle die Schlittschuhe in Papier. Sie gehören ins oberste Schrankfach.«
    Tagsüber waren keine Schlittschuhe im Schuhschrank, das wusste Tom – nichts war in den Fächern außer den Dingen, die der Mann mit dem rotbraunen Bart zur Pflege seines Wagens brauchte. Wenn Hatty ihre Schlittschuhe dort aufbewahrt hatte, dann waren sie, nachdem die Melbournes alle gestorben oder weggezogen waren, bestimmt aus dem Schrank geräumt und verkauft, verschenkt oder weggeworfen worden. Auf jeden Fall waren sie für ihn verloren. Bevor Hatty die Sache mit dem Schuhschrank zu Ende erklärt hatte, hatte Tom beschlossen, dass sie ihre Schlittschuhe am völlig falschen Platz aufbewahrte: Sie brauchte einen trockenen und sicheren Platz, gewiss, aber vor allem einen geheimen.
    »Hatty, versprichst du mir etwas?«
    »Was?«
    »Versprichst du's mir erst?«
    »Ich kann nichts versprechen, was schlecht oder gefährlich ist.«
    »Es ist keines von beidem. Ich will nur, dass du es versprichst, denn wenn du es hörst, sagst du vielleicht, es sei zu albern – und das ist es nicht, wirklich.«
    »Gut, sag es mir, und wenn es irgendwie möglich ist, dann verspreche ich es.«
    Damit musste Tom zufrieden sein. »Nun ja, ich will nur, dass du deine Schlittschuhe, immer wenn du sie nicht brauchst, in dem Versteck aufbewahrst, das du mir in deinem Wandschrank im Schlafzimmer gezeigt hast. Unter den Dielen.«
    »Dort!«, sagte Hatty, als sei es eine lange Zeit her, seit sie an diesen Ort gedacht hatte. »Aber das ist wirklich albern – warum um Himmels willen sollte ich sie dort aufbewahren?«
    »Versprich es«, rief Tom. »Es mag albern klingen, aber es schadet niemandem. Versprich es. Für dich bedeutet es nichts.«
    »Was bedeutet es dir?«, fragte Hatty verdutzt.
    »Es dauert jetzt zu lange, das zu erklären, aber versprich es, gib mir dein Ehrenwort, die Schlittschuhe immer dort hinzulegen, wenn du nicht Eis läufst – in dieses Versteck. Es ist doch noch geheim, oder?«, fügte er mit jäher Angst hinzu.
    »Der Einzige, dem ich es je gezeigt habe, warst du«, sagte Hatty. »Aber Tom –«
    »Gib mir dein Ehrenwort, du hast gesagt, du würdest es tun, wenn du könntest«, beharrte Tom und sah, dass er gewann.
    »Ich versteh's zwar nicht, aber na schön, ich verspreche es – ich geb dir mein Ehrenwort.«
    Tom vertraute ihr vollkommen; auf der Stelle wandte er sich um, schlitterte zurück zum Gartentor und lief ins Haus zurück.
    »Aber hör mal!«, rief ihm Hatty nach, denn ihr war etwas eingefallen. »Komm zurück, Tom! Dieses Versprechen bedeutet, dass ich meine Schlittschuhe zurücklassen muss, wenn ich von hier weggehe.«
    Das war völlig richtig, doch Tom kehrte nicht um. Er hörte Hatty hinter sich rufen; und er hörte auch die entfernteren Rufe der Eisläufer, die sie fragten, was sie denn allein am Gartentor treibe, und sie aufforderten, wieder mitzuspielen.
    Er rannte ins Haus und nach oben in den ersten Stock. Er zog den Pantoffel unter der Wohnungstür hervor und schloss ab, obwohl er vorhatte, noch in dieser Nacht wieder hinunter in den Garten zu gehen. Mit ein wenig Glück brauchte er nur fünf Minuten in der Wohnung und dann wäre er wieder unten auf der Wiese mit Hatty und könnte Schlittschuh laufen.
    Er brauchte kein Licht in seinem Schlafzimmer. Er tastete nach dem Wandschrank und öffnete ihn, und dann fuhr er mit den Fingern über die Fugen der Dielen im Innern. Mit dem Taschenmesser hob er das rechte Bodenbrett an. Tastend griff er in den Hohlraum darunter und spürte zwei größere Gegenstände, die in Papier eingewickelt waren.
    Er war schon dabei, sie auszuwickeln, als er eine Tür aufgehen hörte – die Tür des anderen Schlafzimmers. In seiner Aufregung, erkannte er jetzt, musste er mehr Lärm gemacht haben, als gut war. Sie hatten ihn gehört; sie kamen.
    Er lehnte die Schranktür nur an, damit es nicht

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