Als die Welt zum Stillstand kam
hinter ihr. Der Krampf kam ganz plötzlich, sie trat wild um sich, Wasser in ihrem Mund, in ihrer Kehle, sie hustete, fasste den Fuß mit einer Hand und drückte die Zehen nach oben, schluckte Wasser, hustete.
Als der Krampf vorbei war und sie wieder zu Atem gekommen war, schloss sie die Augen und lauschte auf ihre innere Stimme, die ihr sagen würde, dass es an der Zeit war, loszulassen. Aber es war nicht ihre Stimme, sondern die von Alex, und wie immer, wenn sie ganz tief in der Scheiße steckte, sagte er: »Komm.«
Sie sah das Ufer vor lauter Tränen nicht, aber sie spürte den Sand unter ihren Füßen, stolperte an Land, ließ sich zitternd zu Boden fallen und stand sofort wieder auf, um ihre Kleidung anzuziehen.
Na gut, Alex, hier bin ich. Und was jetzt?
Was sie morgen früh tun würde, war ihr schnell klar. Erst einmal würde sie Brigid und Eliza zurück zur Stadt begleiten. Ihr »Engel«-Bonus würde hoffentlich verhindern, dass sie Ärger bekamen. Und dann würde sie mit Olle und seinen Freunden sprechen. Egal, welche Propaganda Jason auffuhr: Sie würde gegen ihn kämpfen, würde seine Pläne durchkreuzen, mit allen Mitteln. Sein »Engel« würde ihm das Leben zur Hölle machen.
Okay, das war alles andere als ein Plan. Aber es war genug, um weiterzumachen. Einen Tag. Und dann noch einen.
Aber irgendetwas nagte da immer noch an ihr … Ja, die toten Jungen. Die angeblich in einer Gang gewesen waren. Was die Menschen, die sie gekannt hatten, allerdings für völlig absurd hielten. Aber wenn es kein Gang-Krieg gewesen war, was dann? Hatte der Mann am Lagerfeuer recht, dass die Jungen beim Bergwerk rumgeschnüffelt hatten? Vielleicht hatten sie dort ja etwas gefunden, was sie nicht finden sollten. Hatten sie deshalb sterben müssen?
Das Bergwerk war nicht weit von hier. Sie würde sich dort mal umsehen.
Als Celie das Bergwerk erreicht hatte, hörte sie Stimmen. Sie duckte sich hinter einer Bretterwand vor dem alten Schacht.
»Scheißspiel«, fluchte eine männliche Stimme. »Deshalb hab ich mich nicht für den Job gemeldet, damit ich mir vor ’nem verlassenen Bergwerk die Beine in den Bauch steh.«
Zustimmendes Gemurmel, dann sagte ein anderer: »Exacto. Keine Action hier, nicht mal ’ne kleine Schlägerei. Weiß sowieso nicht, warum wir hier sind. Seit den Morden kommt hier doch eh kein Schwein mehr vorbei!«
Celie duckte sich und schlich von den Security-Leuten weg, wurde aber gleich von einer Mauer gestoppt, die zwar verfallen, aber trotzdem unüberwindlich für sie war, wenn sie keinen Lärm machen wollte. Celie sah sich um. Es schien kein Weg an den Männern vorbeizuführen, auf dem sie sie nicht entdecken würden. Aber sie konnte auch nicht ewig hier ausharren. Sie war durchgefroren bis auf die Knochen und die Nacht war kühl. Vielleicht zogen sie ja bald ab. Celie ging zur Bretterwand zurück, um sich dahinter für eine ungemütliche Nacht einzurichten. Da bemerkte sie ein dunkles Loch neben der Wand. Sie trat näher. Das Loch war so groß, dass man auf allen vieren hineinkriechen konnte.
Celie zögerte nur einen Moment, während sie sich fragte, ob die vier Jungen dieses Loch wohl auch entdeckt hatten. Dann ließ sie sich auf die Knie hinunter und robbte hindurch.
Hier drin war es noch kälter als draußen und es roch …
Im ersten Moment dachte Celie an den Geschmack von Blut, wenn man sich auf die Zunge gebissen hat. So roch es. Metallisch. Und muffig, wie in einem Haus, in dem hundert Jahre lang die Fenster nicht mehr geöffnet worden waren. Hinzu kam, dass es stockdunkel war.
Celie blieb auf den Knien und tastete sich vorwärts. Sie kroch über Steine und Holzstücke, hin und wieder passierte sie irgendein Werkzeug, dann patschte sie mit den Händen in eine Pfütze, die nach Öl roch. Ihr war kalt und sie war hundemüde, und alles, was sie wollte, war, eine alte Decke zu finden, in die sie sich für die Nacht einwickeln konnte. Was sie stattdessen fand, war fast ebenso gut: Ihre klammen Finger umfassten mit einem Mal ein Feuerzeug. Aus einem Stück, nicht fürs Recycling gebaut. Es musste uralt sein. Sicher funktionierte es nicht mehr … Mit einem satten Schnarren entzündete sich das Gas und Celie musste vor der hellen Flamme die Augen zusammenkneifen. Sie sah sich schnell um und ließ die Flamme dann wieder ersterben. Atemlos lauschte sie. War etwas von dem Licht nach draußen zu den Security-Leuten gedrungen?
Endlose Sekunden später war sie sicher, dass man sie nicht gesehen
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