Als die Welt zum Stillstand kam
funktioniert nur so. Oder hast du eine andere Idee?«
»Nein. Aber trotzdem …«, beharrte Brigid.
»Wir brauchen ein MoPad mit einem funktionierenden Akku«, sagte Celie. »Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Sie brauchten niemanden zu wecken: Zwei MoPads lagen neben den Schlafsäcken der Kinder und in einer Schublade fanden sie einen geladenen Akku. Während sie in dem stickigen Cube saßen – Celie vor dem MoPad, das ihre Mitteilung als Vid aufzeichnete, während Brigid versuchte, durch die milchige Kunststofftür hindurchzusehen, ob jemand kam –, warfen die beiden sich immer wieder kurze Blicke zu. Brigid war ernsthaft besorgt wegen ihr, das konnte Celie sehen.
Als Celie die Aufnahme beendete, stand Brigid auf. »Ich werde dir jetzt ein paar Sachen besorgen, die du brauchen wirst«, sagte sie. »Damit du überhaupt eine …« Sie brach ab, aber Celie wusste auch so, was sie sagen wollte. Damit du überhaupt eine Chance hast. Sie nickte, ohne von dem MoPad aufzublicken. Brigid weckte die anderen Erwachsenen im Cube und erklärte ihnen die Lage. Leise, um die Kinder nicht zu stören, beratschlagten sie, was Celie brauchte und wie sie es ihr beschaffen könnten. Außerdem überlegten sie, wen sie zum Lager im Bergwerk schicken sollten, um es auszuräumen, bevor Jasons Leute kamen. Brigid, Timothys Vater und sein Bruder brachen sofort auf.
Als sie zurückkamen, war Celies Vid fertig. Im Schein einer Taschenlampe, die sie für Celie organisiert hatten, breiteten sie ihre Schätze aus.
Celie war sprachlos. Da lagen zwei Messer, jede Menge Vorräte – Kartoffelbrei, Äpfel, Brot, sogar ein Stück Käse und etwas Butter –, Wasserflaschen mit Aufbereitungstabletten, ein Schlafsack, neue Nanokleidung, die sie im Regen trocken und in der Kälte warm halten würde, ein Paar Turnschuhe in ihrer Größe, vier Akkus, die außerhalb der Kommune ein Vermögen wert waren – und ein kleines Gerät, das wie ein Zigarettenpäckchen mit Antennen aussah.
»Ein Störsender«, sagte Timothys Onkel voller Stolz, »gegen die Kameradrohnen.«
»Aber wo habt ihr den denn her?«, rief Celie.
Timothys Onkel lächelte verschmitzt. »Wir hier draußen sind nicht alle Bauern und Bauarbeiter. Zumindest waren wir das nicht immer.«
»Was’n los?«, murmelte Eliza aus ihrer Ecke verschlafen.
»Nichts, schlaf weiter«, sagte ihre Mutter.
Eliza rieb sich die Augen und deutete zur Tür.
»Da is’n Pferd«, verkündete sie, bevor sie sich umdrehte und weiterschlief.
Celie lächelte. Aber dann sah sie den Umriss auch. Ein Pferd?
»Du musst ja irgendwie vorwärtskommen«, erklärte Brigid. »Und ein Pferd braucht keine Akkus. Ich hoffe, du kannst reiten!«
»Ja, kann ich«, sagte Celie. »Danke, das ist … ihr seid unglaublich.«
Timothys Vater legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Was du heute für uns tust, das können wir gar nicht …«
Verlegenes Schweigen breitete sich aus, bis Celie das MoPad holte. Sie gab es Brigid.
»Auf dem Vid ist alles, was ich über Jason weiß. Ich habe erzählt, was es mit dem Lager auf sich hat und wie Jason die Jungen ermordet hat. Gib das MoPad Olle, er wird wissen, wie er es am besten nutzt. Er soll auf jeden Fall eine Kopie für Stadträtin Suzanne Carlyle machen. Sie ist auf unserer Seite und Jason hat sie noch nicht verhaften lassen. Vielleicht kann sie im Rat noch etwas ausrichten. Und eine Kopie muss zum Sender, zu Martin Kleib, wenn er noch da arbeitet. Aber das weiß Olle auch alles.«
Brigid nickte stumm, während Timothys Vater das Vid leise abspielte. Celie hielt Brigid den Brief hin, den sie geschrieben hatte, nachdem das Vid fertig gewesen war.
»Und dieser Brief ist für Pietro Salano von der Musikschule. Ich werde bei dem Konzert am Samstag ja nicht dabei sein. Er muss dafür sorgen, dass es stattfindet.«
Brigid nickte wieder. Dann schaute sie kurz zum Vid und schüttelte plötzlich heftig den Kopf. »Du sagst da, dass es deine Entscheidung war, den Flüchtlingen den Standort des Lagers zu verraten? Aber damit machst du dich zum Sündenbock! Alle in der Stadt werden dich hassen!«
Aus einem plötzlichen Impuls heraus umarmte Celie Brigid. »Immer noch besser, als wenn sie mich als Jasons Helfershelferin betrachten. Oder den Flüchtlingen die Schuld zuschieben«, sagte sie. »Irgendeinen Schuldigen müssen wir ihnen ja bieten, und wenn ich eine Verräterin bin, dann fällt das jetzt ja auch auf Jason zurück, nachdem er mich zum ›Engel‹ hochstilisiert
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