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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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macht es nicht gerade einfacher. Und mit Celie habe ich schon wochenlang kaum noch Zeit verbracht. Ich beruhige mein Gewissen damit, dass sie ein so enges Verhältnis zu ihrem Vater hat, dass sie ihre Mutter hoffentlich kaum vermisst.
Mecklenburgische Seenplatte
    Bernie verlagerte das Gewicht auf sein linkes Bein. Ein Zweig knackte und sofort waren die Hasen zwischen den Bäumen verschwunden.
    Tamade! Bernie lief dorthin, wo vor zwei Sekunden noch die Hasen gehockt und gegrast hatten. Oder wie man das bei Hasen nannte. Unschlüssig betrachtete er die Pflanzen, die dort wuchsen. Da war eine, die die Hasen angeknabbert hatten. Die hatte Bernie schon mal in einem Garten gesehen, da war er ziemlich sicher. Und wenn die Hasen sie fraßen, konnte sie ja kaum giftig sein.
    Mit dieser Taktik – beobachten, was die Tiere des Waldes fraßen und was nicht – hatte Bernie sich in den letzten Tagen schon einige neue Nahrungsquellen erschlossen. Da waren diese großblättrigen Kräuter, die die Rehe so gern mochten; kleine blaue Beeren und harte Dinger, die Bernie für Eicheln hielt und die er Eichhörnchen hatte fressen sehen (die Tiere hießen ja sicher nicht umsonst so).
    Bernie pflückte das Hasenkraut und steckte sich erst mal nur ein Blättchen in den Mund.
    »Schmeckt’s?«
    Bernie fuhr herum. Der Mann, bei dem Bernie sofort an diesen alten Filmhelden Indiana Jones denken musste, hatte sich lautlos angeschlichen. Bernie hatte keine Zeit mehr, sein Messer zu ziehen, denn der Mann stand keinen Meter von ihm entfernt. Wenigstens hielt auch er keine Waffe in der Hand. Aber an seinem Gürtel hingen Unmengen davon.
    »Keine Angst.« Der Mann lächelte und entblößte eine Reihe makellose Zähne. Das deutete darauf hin, dass er kein Outlaw war, sondern regelmäßig einen Zahnarzt aufsuchte. Vielleicht ein Biologe oder ein Survivalist.
    Bernie entspannte sich ein wenig.
    »Ich hab keine Angst. Nur Hunger.«
    Der Mann lachte schallend. »Na, von dem Waldsauerklee wirst du aber nicht satt werden! Jedenfalls solltest du nicht so viel essen, bis du satt bist. Waldsauerklee ist giftig, wenn man größere Mengen davon zu sich nimmt.«
    »Oh.« Bernie ließ die Blätter fallen, die er noch in der Hand hielt.
    Der Mann hockte sich auf den Boden und grub mit einem Messer in der Erde. Dann hielt er Bernie eine schmutzige Wurzel hin. »Da würde ich eher was hiervon essen.«
    Bernie wischte die Erde ab, so gut es ging, und biss hinein. »Igitt!«
    Der Mann lachte wieder und stand auf. »Tja, Löwenzahn ist bitter, aber nahrhaft.« Er streckte eine schwielige Hand aus. »Ich bin übrigens Karl.«
    Wie sich herausstellte, war Karl tatsächlich Biologe und Survivalist. Er lebte den größten Teil des Jahres abseits der Tore in der Wildnis und kehrte nur hin und wieder in die Zivilisation zurück, um Vorträge zu halten und Kleidung zu kaufen. Und zum Zahnarzt zu gehen, ergänzte Bernie stumm. Normalerweise hielt Karl sich von Menschen fern, aber Bernie hatte die für sein Ego recht zweifelhafte Ehre, dass Karl ihn unter seine Fittiche nahm. Bernie sah wohl so hilflos aus, dass Karl ihm allein kaum Überlebenschancen einräumte.
    An diesem Tag lernte Bernie mehr über die Natur, als er je hatte wissen wollen. Karl zeigte ihm essbare Kräuter wie die Knoblauchsrauke und die Brennnessel – Brennnesseln konnte man essen?! – und Baumfrüchte wie Kastanien und Bucheckern, die gerade heranzureifen begannen. Wenn Bernie ans Wasser kam, konnte er auch Schilf und Teichlinsen essen. Karl wollte Bernie außerdem beibringen, wie man mit Schlingen Hasen und Rehe fing, aber das lehnte Bernie so vehement ab, dass Karl es schließlich aufgab.
    »Ist vielleicht auch besser so«, meinte er. »Hier hat es in letzter Zeit einige Fälle von Tollwut gegeben.« Er grinste. »Und wir wollen ja nicht, dass du von einem tollwütigen Hasen angegriffen wirst.«
    Karls Vorschlag, sich zur Deckung seines Proteinbedarfs an Insekten zu halten, begeisterte Bernie auch nicht gerade. Aber das konnte er sich noch eher vorstellen, als große Tiere zu töten. Na ja, vielleicht kam es ja gar nicht so weit.
    Karl zeigte Bernie außerdem, wie er die Fährten von verschiedenen Tieren und von Menschen erkennen konnte und wie man Wasser fand. Es war so einfach, dass Bernie nun wirklich auch selbst darauf hätte kommen können: Tiere strebten irgendwann alle zum Wasser. Fährten von mehreren Tieren neben- und übereinander wiesen darum auf einen Weg zum Wasser hin – wo sie sich

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